Köln | KOMMENTAR | Erfindet Henriette Reker, parteilose Bewerberin um das Amt der Oberbürgermeisterin und amtierende Oberbürgermeisterin das Klüngeln neu? Gibt es jetzt das „Selbstklüngeln“ – also das Klüngeln mit sich selbst in Köln? Es scheint so, wer aufmerksam die Geschichte der Social Media Accounts liest, die die OB, weil sie die gerade nicht braucht für 44 Monate, an die Stadt Köln leiht und ganz nebenbei davon profitiert, aber Stadt und OB so tun als sei das nicht so.
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Zur Berichterstattung von report-K zu diesem Thema:

Henriette Reker verlieh ihre Social Media Accounts an die Stadt Köln

Henriette Reker hat als Oberbürgermeisterin nicht selbstlos einen Toaster an die Stadt verliehen und danach wieder zurückgenommen. Wer Social Media Accounts professionell betreibt, weiß wie viel Geld und Zeit die Erstellung der Inhalte kostet. Diese Kosten übernahm 44 Monate lang die Stadt Köln. Die Begründung dafür erscheint fragwürdig: Die Stadt und das städtische Presseamt waren nicht in der Lage für die OB eigene Accounts auf Facebook, Instagram und Twitter anzulegen und waren daher auf Rekers Accounts angewiesen? Jede und jeder 10-Jährige kann das, nur das städtische Presseamt nicht? Klartext: Für eine saubere Lösung, also städtische Social Media Accounts für die erste Bürgerin der Stadt zu erstellen, hätte die Stadt Köln weniger als eine Stunde Zeit aufwenden müssen.

Zur Klarstellung: Frau Reker hätte Ihre Social Media Accounts nie an die Stadt Köln verleihen sollen, sondern die Stadt Köln hätte eigene städtische Social Media Accounts erstellen müssen.

Damit hätte es einerseits einen städtischen Account für die Öffentlichkeitsarbeit der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln gegeben und andererseits den privaten Wahlkampfaccount von Henriette Reker aus dem Jahr 2015, den sie ab dem Zeitpunkt ihrer Ankündigung erneut anzutreten wieder für ihren Wahlkampf hätte nutzen können.

Wo liegt der Unterschied zwischen dieser Lösung und dem von Frau Reker eingeschlagenen Weg?

Stellen Sie, liebe LeserInnen, sich vor für die folgenden Textzeilen einmal vor, Sie würden im Kommunalwahlkampf 2020 – unterstellt sie werden mit der nötigen Unterschriftensammlung zugelassen – als OB-KandidatIn angetreten. Dafür hätten Sie, gerade in der Corona-Zeit, in der sich der Wahlkampf primär im virtuellen Raum abspielt, einen Social Media Account erstellen müssen. Doch ein solcher Account will mit Inhalt gefüllt werden und bedarf ständiger Pflege durch ein Social Media-Team um eine möglichst große Reichweite und viele potentielle Wählerinnen und Wähler zu erreichen. Ihnen wären, als OberbürgermeisterkandidatIn Kosten für den Betrieb der Accounts entstanden.

Kosten, die auch Frau Reker, in ihrem Wahlkampf im Jahr 2015, in Form des Gehalts für ihren Wahlkampfmitarbeiter Frederik Schorn entstanden sind. Nun hat Frau Reker Ihnen gegenüber für den Kommunalwahlkampf 2020 einen möglicherweise entscheidenden Vorteil erlangt. Zuerst der freie Mitarbeiter im OB-Büro Frederik Schorn und anschließend das Team der städtischen Pressestelle haben ihre ursprünglich privaten Accounts „übernommen“, mit Inhalten gefüllt, gepflegt und die Reichweite der Accounts gesteigert. Die Arbeitszeit, die in die Pflege der Accounts geflossen ist, hat nicht Frau Reker vergütet – so wie Sie im aktuellen Wahlkampf ihr Social-Media-Team aus eigener Tasche vergütet hätten -, sondern die Stadt Köln aus städtischen Mittel und damit aus den Steuergeldern von Kölner Bürgerinnen und Bürgern. Diese in Reichweite gesteigerten Accounts nutzt Frau Reker ab dem Zeitpunkt, an dem Sie ihre Kanidatur für die Kommunalwahl 2020 verkündet, wieder als private Wahlbewerberin. Neben den gesparten Kosten hat sie einen weiteren Vorteil erlangt: Frau Reker unterliegt – genauso wie Sie als hypothetischer Kandidat – als private Wahlbewerberin (anders als OB) bei Nutzung der nunmehr privaten Accounts nicht den Beschränkungen des staatlichen Sachlichkeits- und Neutralitätsgebots.

Dass die Stadt Köln und die Oberbürgermeisterin die Kosten kleinreden wollen ist klar. Dienstleistungen kosten Geld und stellen einen Wert an sich dar und der freie Mitarbeiter erhielt ein Honorar. Zudem hat diese Internetzeitung bewiesen, dass die Reichweite der Accounts stieg. Darüber liegen Belege vor, nur die Stadt weigert sich, darüber Klarheit zu schaffen.

Die Stadt Köln hat von OB Reker etwas ausgeliehen, so ganz in der Art moderner Sharing Economy. Aber es gibt keinen Vertrag, nur eine mündliche Abrede – zwischen wem eigentlich? Haben Sie schon einmal versucht ein Auto oder einen Hobel auszuleihen ohne schriftlichen Vertrag? Und nicht nur das, sondern es wurde auch noch eine öffentliche Widmung vorgenommen und dann wieder entwidmet, mit all den Konsequenzen für die staatliche Öffentlichkeitsarbeit. Frau Reker als Oberbürgermeisterin und damit Chefin der Verwaltung hat einen mündlichen Vertrag per Handschlag mit sich selbst ,der parteilosen Bewerberin, über die Nutzung ihrer Social Media Accounts vorgenommen. Da Reker diesen Vertrag ja nur mit sich persönlich, da sie ja Seiteninhaberin immer ist und war, vornehmen kann, hat sie folglich davon wissen müssen. Hat sie also sich selbst die linke in die rechte Hand gelegt und per Handschlag den Vertrag besiegelt und dann die Order an ihr OB-Büro und später an das städtische Presseamt weitergegeben? Es kann nicht anders sein schließlich war allein sie es die mit den Social Media Plattformen in einem Nutzungsvertragsverhältnis stand.

Es gibt aber noch weitere Implikationen: Freie Mitarbeiter und fest angestellte Mitarbeiter des städtischen Presseamtes haben für einen Account gearbeitet, der nicht der Stadt Köln gehört? Sind die Fragen nach Nutzungsrechten offen kommuniziert worden? Ist dies in den Arbeitsverträgen und Verträgen mit freien Mitarbeiter sauber und korrekt ausgewiesen worden, wenn schon die Ausleihe per Handschlag erfolgte? Und warum ist aus dem städtischen Presseamt nie Widerspruch erfolgt?

Reker nutzt seit 1. September 2019 genau diese Social Media Accounts intensiv für ihre Kampagne zur Kommunalwahl 2020. Durch das „Selbstklüngeln“ hat sie sich, gerade in der Corona-Zeit, einen Vorteil als Bewerberin verschafft, denn sonst hätte sie aus Eigenmitteln die Pflege bezahlen müssen und nicht auf den wertvollen Content als Amtsinhaberin zurückgreifen können. Denn auch hier fehlt und fehlte von Anfang an die strikte Trennung zwischen Amt und parteiloser Wahlbewerberin.

Unverständlich bleibt die Rolle der gewählten Ratsmitglieder. Kommen diese ihrer Kontrollfunktion nach? Die Gemeindeordnung und Satzung der Stadt Köln ist eindeutig. Der Rat ist bei Geschäften der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der eindeutig zu beteiligen, wenn Werte von über 2.400 Euro überschritten werden. Die 44-monatige Pflege der ausgeliehenen Accounts dürfte weit über diesem Betrag liegen und das war von Anfang an klar, denn die Ausleihe so die Stadt sollte ja die gesamte Amtszeit über, bzw. bis zu einer erneuten Kandidatur andauern. Der Vorgang zeigt aber noch etwas: Von Transparenz ist dieser Vorgang meilenweit entfernt.

Autor: Andi Goral