Köln | Mechtild Tellmann, Direktorin des Festival tanz.tausch, zieht im Gespräch mit Christoph Mohr ihre ganz persönliche Kultur- und Kunstbilanz 2018 und blickt auf 2019. Kölner Stimmen hört in der Kultur und Kunst-Community nach.

Welche drei Künstler haben Sie in diesem Jahr begeistert?

Andrea Bleikamp und Rosi Ulrich.
Die beiden Künstlerinnen haben sich in 2018 entschieden, sich zu einem Kollektiv  – dem WEHR51 – zusammen zu schließen. Wissend, dass sie im ersten Moment weniger Fördergelder haben, als wenn sie weiterhin als zwei eigenständige Kompanien bestehen würden, die miteinander kooperieren. Das ist nicht nur mutig, sondern setzt auch ein Zeichen gegen den Ego-Wahn, der in der Berufswelt ja leider die Regel ist. Nur gemeinsam kommen wir alle weiter.

Julia Riera (MIRA)
MIRA – ursprünglich einmal als Kollektiv dreier Künstlerinnen gegründet – wird inzwischen von Julia Riera alleine geleitet. Das war/ist sowohl Chance als auch Herausforderung. Julia Riera hat sich selber eine Chance gegeben und es trotz widriger Umstände (immer zu wenig Fördergeld etc.) geschafft, sich künstlerisch konsequent weiter zu entwickeln. Diese Entwicklung hat sie meiner Meinung nach besonders bei MIRA7_Thuley gezeigt. Bisher ihre beste Arbeit, so konsequent in einer Handschrift gearbeitet, sensibel und gleichzeitig so unpathetisch  – man versinkt förmlich in die Performance.

Marje Hirvonen
Auch hier beeindruckt und begeistert mich die Konsequenz in der/ihrer Arbeit. Eine Künstlerin, die noch relativ am Anfang steht aber schon eine extrem starke eigene Handschrift entwickelt hat und diese konsequent weiterentwickelt, begegnet einem nicht so oft. Außerdem liebe ich ihren finnischen Humor, der auch in „fame“ eine große Rolle spielt (hier bei uns aber nicht immer verstanden wird).
 
Welche drei Ausstellungen haben Sie in diesem Jahr begeistert?

Kristel van Issum: #Catalog of Shadows (Stabat Mater)– Video-Installation (Boulevard Festival, Den Bosch, NL)
Die ehemalige künstlerische Leiterin der holländischen Tanzcompany T.r.a.s.h. hat sich mit dieser Arbeit neu erfunden. 7 Figuren aus ihren früheren Arbeiten sind als Mutterfiguren wieder auf erstanden. Gemeinsam mit Ulrika Kinn Svensson und Martin Han hat sie ein Gesamtkunstwerk geschaffen – dunkel, düster, zum Teil auch deprimierend, aber gleichzeitig so ansprechend, dass man sich der Faszination nicht entziehen kann.

Nir de Volff / TOTAL BRUTAL: Come as you are #2017
Come as you are ist eine dieser Inszenierungen bei denen man voller Vorurteile den Aufführungsraum betritt: „Was passiert, wenn Tänzer, die in ihrer Heimat in Folklore- und Ballett-Tanzshows auftraten, nach ihrer Flucht auf die zeitgenössische deutsche Tanzszene treffen?“…. man erwartet Klischees, Kitsch, political correctnes und Tanz als sozialen Kit. Weit gefehlt: der israelische Choreograph Nir de Volff hat gemeinsam mit den 3 syrischen Tänzern eine berührende und humorvolle Inszenierung geschaffen. Es geht um die kleinen Dinge und gleichzeitig auch um das große Ganze. Diese Aufführung hat mich persönlich mit dem momentanen Hang zu operativen Fördertöpfen (Sonderausschreibungen für künstlerische Projekte mit Flüchtlingen  etc.) versöhnt. Ich bin der Meinung, dass Förderer nicht vorgeben sollten, wofür Künstler*innen sich ihrer Meinung nach interessieren sollten, hier gab es aber anscheinend den Glücksfall, dass Interesse und Förderausschreibung Hand in Hand gingen.

Gunilla Heilborn: The Wonderful and the Ordinary (ICE HOT nordic dance platform, Reyjkavik, Island)
Gunilla Heilborns Inszenierungen haben einen wunderbar feinsinniger Humor mit Tiefgang. Sie schafft es jedes Mal wieder, mich mit ihrer sorgfältigen Arbeit zu überzeugen und mich glücklich aus dem Theater zu entlassen. Ihre Stücke leben von skurrilen Ideen,  Wendungen und Ansätze – immer haarscharf an der Albernheit vorbeigeschrammt. Im ersten Moment behandelt sie vordergründig banale Themen, dessen Tiefgang sich dem Zuschauer erst beim Betrachten des Stücks erschließt. The Wonderful and the Ordinary lässt einen beim Zuschauen die Zeit vergessen, so dass man am Ende denkt „wie schon aus –  ich will nochmal!  
 
Hier dürfen Sie ein bisschen Werbung für sich machen. Was dürfen wir von Ihnen in 2019 erwarten?

Für 2019 stehen sowohl kleine als auch große Projekte auf der Agenda. Am Jahresanfang steht der flausen+bundeskongress#2 vom 05.-07. Februar im Freien Werkstatt Theater an. Dieses Mal ganz unter dem Eindruck der politischen Ereignisse der letzten Jahre. Unter dem Motto „the politics of art“ geht es u.a. auch darum, selber Position zu beziehen.

Im Winter steht dann die nächste Ausgabe des tanz.tausch festivals an, wobei wir hier gerade überlegen, ob wir evtl. in den Januar 2020 gehen, um uns und den Zuschauern die Möglilchkeit zu geben, dem Weihnachtsstress zu entgehen und ganz entspannt das Festival genießen zu können.

Zusätzlich wird es natürlich Premieren des WEHR51, wie auch von Overhead Project geben. und die Bonner Companie CocoonDance wird auch wieder in Köln zu Gast sein – im Januar und im Mai, deren Stücke sind ja immer ein Highlight.
 

Autor: von Christoph Mohr