So nähern sich die „Camera obscura“-Bilder Venedigs von Günter Derleth der
Grenze zum Kitsch, von welcher Seite aus, liegt wahrscheinlich im Auge des Betrachters. Die „1177 mal in 80 Stunden“ scheinen der Megalomanie der Messe geschuldet; niemand schaut sich ernsthaft 1500 Gesichter auf einem 180 Meter langen Print an, schon gar nicht in mehreren Metern Höhe. Hier wäre weniger
durchaus mehr gewesen. Eindrucksvoll sind die beiden Präsentationen der Altmeister Walter Schels und Elliott Erwitt.


 
Fotografiert von Elliott Erwitt [Magnum]


Die größte Publikumswirkung dürfte wohl die (Selbst-)Inszenierung Anton Corbijns haben, die der „Stern“ beigesteuert hat und mit einem eigenen Heft seiner „Portfolio“-Reihe begleitet: einige Star-Portraits und Anton Corbijn
als Jimi Hendrix, Janis Joplin, Steve Mc Queen usw. Alles bekannt, alles schon mal gesehen, trotzdem schön. Ebenfalls nett anzusehen, wenngleich ein wenig eklektisch sind die Halbfigur-Portraits des Becher-Schülers Chris Scholz.



Chidhood Memory – Monument to the People’s Heroes, hand-dyed black and white photograph. Fotografiert von Shao Yinong & Muchen, Courtesy ALEXANDER OCHS GALLERIES BERLIN I BEIJING


So noch nicht gesehen und ungemein spannend ist hingegen die Ausstellung zeitgenössischer chinesischer Fotografie, welche die in Berlin und Peking ansässige Alexander Ochs Gallery zusammengestellt hat. Bisher war eher Malerei aus dem Reich der Mitte zu bewundern. Dabei überrascht jetzt, dass nicht nur Themen und Sujets mit der Nachbardisziplin korrespondieren. Vor allem Elan und den erfrischend andere Zugang zur Kunst teilen die Vertreter beider Medien.



Fotografiert von Thomas Bak, ausgezeichnet mit dem „16. BFF-Förderpreis & Reinhart-Wolf-Preis 2004“



Nachwuchsfotografie wird den Teilnehmern von BFF-Förderpreis und Reinhart-Wolf-Preis gezeigt. Hier sind echte Entdeckungen machen. Zu ihnen gehört Preisträger Thomas Bak, dessen verstörenden Arbeiten eine
Präsentation von musealen Ausmaßen zuteil wird, die auf einer Kunstmesse nicht möglich wäre. Zu den angenehmen Begleiterscheinungen der kuratierten Shows gehört, dass alle Werke – zumindest auf der Messe – unverkäuflich
sind, Gespräche mit den Ausstellern also nicht zur Verkaufsveranstaltung ausarten.

Geöffnet ist bis zum 3. Oktober täglich von 10 bis 19 Uhr. Am 3. Oktober nur bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Der Zugang zur Visual Gallery erfolgt über einen separaten Eingang in Halle 8 oder über die photokina.


Links zum Thema:


>>> Photokina 2004


>>> Visual Gallery


>>> Anton Corbijn


Der Autor dieses Artikels Stefan Kobel ist freier Kunst-Journalist mit eigenem Büro in Köln.