Der Städteplaner und Architekt Thomas Sieverts prägte Mitte der 1990er Jahre den Begriff "Zwischenstadt" für die immer stärker werdende Zersiedelung der Landschaften. Dabei war es die Fotografie, die bereits in den 1960er und 70er Jahren die Aufmerksamkeit auf das bis dahin Bildunwürdige gelenkt hatte: Künstler wie Ed Ruscha und Dan Graham oder Fotografen wie Robert Adams, Henry Wessel und Lewis Baltz fotografierten nicht heroische Metropolen oder erhabene Naturlandschaften, sondern Tankstellen, Parkplätze, Vorstadtsiedlungen, Motels und Gewerbeparks. Sie zeigten suburbane und landschaftliche Situationen, die unbestimmt waren und machten die Anonymität von Gebrauchsarchitektur und Fertighäusern sichtbar. 

Die Sammlungsausstellung "Nachrichten aus der Zwischenstadt" folgt diesen Fährten und zeigt Fotografien aus eben jener Zeit, aber auch Werke der nächsten Künstlergeneration, die neben den topografischen Strukturen auch deren psychosoziale Einflüsse auf die Bewohner in den Blick nehmen. Die Ausstellung vereint Werke von Bernd und Hilla Becher, Joachim Brohm, Chargesheimer, Mark Dion, William Eggleston, Jeanne Faust, Andreas Gursky, Douglas Huebler, Joan Jonas, Manfred Pernice, Peter Piller, Robert Smithson, Thomas Struth und Thomas Ruff. Zu ist die Schau vom 13. August bis zum 23. Oktober 2011 im Museum Ludwig Köln.

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[Aktualisiert] Bunte Tankstellen und schwarz weiße Vororte
Tankstellen, Parkplätze, Vororte, Motels oder Reihensiedlungen haben auch ihren Reiz. Im Museum Ludwig werden Künstler ausgestellt, die sich mit eben diesen Orten auseinandersetzen. „Zwischenstadt“ ist der große Überbegriff solcher Plätze. Städteplaner und Architekt Thomas Sieverts prägte diesen Begriff Mitte der 1990er Jahre. Von der breiten Masse als „fotografisch unwürdige“ Motive verpönt, setzten sich dennoch einige Künstler mit solchen Orten auseinander. Im Museum Ludwig können die erstaunlich sympathischen Ergebnisse der Auseinandersetzung begutachtet werden. Jeder Künstler eröffnet eine andere Sicht auf das Thema „Zwischenstadt“. Egal ob klare, klassische Architekturfotografien oder bunte Momentaufnahmen aus dem Leben, wer Fotografien liebt, wird sich hier wohlfühlen.

Ein Reihenhaus in Montparnasse
Ein langes, buntes Reihenhaus in Montparnasse fällt sofort, beim Betreten des Raumes, ins Auge. Fenster reihen sich an Fenster und bei genauerem Hinsehen, werden telefonierende Bewohner, Stehlampen, ein Fahrrad oder ein alter, aus dem Fenster schauender Mann erkennbar. Das meterhohe Bild wurde aus drei Fotografien, von demselben Haus, zusammengefügt und erstreckt sich nun, in überdimensionalem Maße, vor den Betrachtenden. In den ausgestellten Werken von Bernd und Hilla Becher präsentieren die Künstler Industriearchitekturen, die sie aus Gruppenbildern zusammengefügt haben. Ihre Schüler sind in demselben Ausstellungsraum vertreten. Diese legen in ihren Fotografien allerdings mehr Wert auf die Darstellung der Anonymität und der Auswechselbarkeit der Nachkriegsbauten. Sehr einfach und klassisch sind die gewählten Bildperspektiven. Während auf einen Foto nur ein modernes Haus abgelichtet wurde, liegt der Fokus bei dem anderen auf einer Straße und die an ihr aneinander gereihten Häuser.

Eine Reise durch das Leben. Mit dabei die Kleinbildkamera.
Ein Gang in den zweiten Ausstellungsraum lässt den Besucher mit Künstler William Eggleston auf eine gemeinsame Reise durch die USA gehen. Die kräftigen Farbfotografien entstanden auf einem Roadtrip mit Freunden. Von Memphis über New Orleans bis nach Las Vegas ging die Reise. Mit seiner Kleinbildkamera hielt er Momente des Lebens fest. Eine besondere Vorliebe entwickelte er für Schilder, Autos, Reisende, Schnellrestaurants und Tankstellen. Eine klassische Bildkomposition mit Bildzentrum wird hier vergeblich gesucht. Eggleston vertritt die Ansicht, dass Mensch und Objekt gleichbedeutende Motive sind und alle Motive es Wert sind fotografiert zu werden.

Köln 5 Uhr 30
Künstler wie Chargesheimer oder Joachim Brohm bleiben dahingegen lieber der Heimat treu und setzen sich mit dieser auseinander. Im Rahmen der Ausstellung präsentiert das Museum Chargesheimers Fotoreihe Köln 5 Uhr 30 von 1970. Der Fotograf hielt in der Früh die menschenleeren, anonymen Straßen und Orte Kölns fest, die am Rande der Aufmerksamkeit lagen. U-Bahn Eingänge, Parkplätze, Fußgängerzonen strahlen, nostalgisch, einen gewissen Reiz aus.

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