Paul Haentjes ist 18 Jahre alt, als er im Juni 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück nach Köln kommt. In der Innenstadt sind 90 Prozent aller Bauwerke zerstört und Zigaretten sind mehr wert, als Geld. Mühsam arrangieren sich die Kölner mit der Situation und beginnen mit dem schleppenden Wiederaufbau. Doch der Krieg hat die Einwohnerzahl von 800.000 auf 100.000 gesenkt. Viele Kölner sind gefallen oder geflohen. Andere befinden sich noch in Kriegsgefangenschaft. So auch Haentjes’ Schulfreund Engelbert Gorius, der in einem Dorf im Norden Frankreichs auf einem Bauernhof arbeiten muss.

„Über Nacht füllten sich die Läden!“
Haentjes beginnt, Engelbert – genannt Engel – Briefe zu schreiben, in denen er vom Alltag im zerstörten Köln erzählt. Diese Briefe sind, ergänzt um historisches Bildmaterial, nun unter dem Titel „Lieber Engel… – Briefe und Bilder aus Köln 1946 – 48“ bei Edel:momenti erschienen. Der erste Brief ist von April 1946, es ist der erste Tag nach Kriegsende, an dem Haentjes „eine Schreibmaschine zur Verfügung steht“. Haentjes schreibt von einer Zeit der Notlösungen, Entbehrungen, aber auch der kleinen und großen Erfolge. „Dieses Ereignis, auf das wir über drei Jahre gewartet haben, hat uns mit einem Schlag einen großen Schritt ins normale Leben tun lassen. Über Nacht füllten sich die Läden!“, schreibt er im Juni 1948 über die Währungsreform. Im gleichen Jahr wird Engelbert Gorius aus der Kriegsgefangenschaft entlassen.

Etwas fehlt
Paul Haentjes, Jahrgang 1927, lebt heute mit seiner Frau Anni in Köln-Lindenthal. Seine Kinder, Dorothee, Mathias, Andreas und Michael, haben die von ihm aufbewahrten Durchschläge seiner Briefe in einem ansprechend schlicht gestalteten, großformatigen Buch (22 x 30 cm) herausgegeben. Mathias Haentjes und Dorothee Haentjes-Holländer ordnen mit Vorworten die Briefe in den historischen Kontext ein und schildern die Hintergründe der Freundschaft von Haentjes und Gorius. Etwas fehlt allerdings in „Lieber Engel…“: Die Antworten von Engelbert Gorius sind nicht erhalten. Mit der Lücke, die der Freund hinterlässt, setzt das Buch nicht nur dem zerstörten Köln, sondern auch Engelbert Gorius, der bereits 1960 in Bonn starb, ein Denkmal.

Paul Haentjes „Lieber Engel… – Briefe und Bilder aus Köln 1946-48“
Herausgegeben von Dorothee, Mathias, Andreas und Michael Haentjes
160 Seiten, Hardcover
mit zahlreichen Abbildungen
36 Euro
ISBN 978-3-941378-78-0
erschienen bei Edel:momenti

Alexandra Spürk für report-k.de/ Kölns Internetzeitung