Düsseldorf/Berlin | Der Berliner Rechtsprofessor und Plagiatsexperte Gerhard Dannemann wirft Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) schwerwiegende Fehler in ihrer Dissertation vor. „Für mich enthält diese Arbeit zweifelsfrei viele Plagiate“, sagte der Jurist der Nachrichtenagentur dapd. So beinhalte die Arbeit „gravierende Verstöße gegen die Zitierregeln und den Umgang mit Quellen“. Diese bestünden unabhängig davon, ob der CDU-Politikerin ein Vorsatz nachgewiesen werde. „Für die Wissenschaft ist es egal, ob jemand bewusst oder unbewusst gegen die Regeln verstößt. Das Werk ist genau so fehlerhaft.“

Je nach Bewertung gibt es laut Dannemann zwischen 40 und 90 Verstöße in Schavans Doktorarbeit. Ein Großteil seien kleinere Fehler, die erst in ihrer Gesamtzahl ins Gewicht fielen. „Es gibt aber auch ein paar Stellen, die gehen sehr deutlich darüber hinaus, was man noch gerade so durchwinken könnte“, sagte er. So seien zum Teil mehrere Absätze und in einem Fall anderthalb Seiten mit nur leichten Änderungen übernommen worden, ohne die Originalwerke zu nennen. „Das geht entschieden zu weit.“

Unübersehbare Schützenhilfe

An diesem Dienstag befasst sich der zuständige Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät an der Universität Düsseldorf mit den Plagiatsvorwürfen. Vor zwei Wochen hatte das Gremium bereits ein offizielles Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels eingeleitet. Es ist unklar, ob er Rat gleich eine Entscheidung trifft oder noch weiteren Diskussionsbedarf sieht. So könnte ein weiteres Gutachten eingeholt oder Schavan noch einmal angehört werden.

Kritisch sieht Dannemann, der auch beim Plagiateportal VroniPlag mitarbeitet, die Diskussion rund um den Fall Schavan. „Es ist unübersehbar, dass sich einige führende Wissenschaftsorganisationen und Spitzenforscher unmissverständlich auf die Seite von Frau Schavan geschlagen haben“, sagte er. Dem Verfahren tue es aber nicht gut, wenn der Hochschule von Außen Ratschläge gegeben und Druck ausgeübt werde. Auch einen Bonus für die Bundesbildungsministerin will der Juraprofessor erkannt haben. „Ich vermute, auf der ganzen Welt gibt es keine Person, die von den deutschen Wissenschaftsorganisationen solch eine Schützenhilfe bekommen hätte – auch nicht die Bundeskanzlerin“, sagte er. Dabei spiele unter anderem eine Rolle, dass die Organisationen Forschungsgelder von Schavans Ministerium erhielten.

Auch die Art und Weise, wie Schavan mit den Vorwürfen umgeht, hält Dannemann für falsch. „Sie hätte relativ klar sagen müssen, dass sie gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis verstoßen hat“, bemängelte er. Ein Eingeständnis, dass sie vorsätzlich gehandelt hat, sei nicht zu erwarten gewesen. „Aber eine klare Stellungnahme, dass so etwas in der Wissenschaft nicht geht, wäre angebracht.“ Stattdessen habe Schavan zunächst alles abgestritten und vor kurzem dann Flüchtigkeitsfehler eingeräumt. „In der Summe geht das aber über Flüchtigkeitsfehler hinaus. Ich bin gespannt, wie sie es in Zukunft noch nennen wird.“

Autor: dapd
Foto: Screenshot der Website „schavanplag.wordpress.com“