SYmbolbild Kartellrecht

Köln | Die von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck angestoßene Debatte um eine Verschärfung des Kartellrechts wird intensiv von Politik, Ökonomen und Gesellschaft begleitet. Es ist vielstimmig. Eine Sammlung von Pro und Contra Stimmen zur Verschärfung des Kartellrechts.


Pro Verschärfung

Wettbewerbsökonom unterstützt Verschärfung des Kartellrechts

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekommt für seinen Vorstoß zur Verschärfung des Kartellrechts Unterstützung aus der Wissenschaft. „Ich halte eine Reform grundsätzlich für richtig. Entflechtungen sollten im Extremfall möglich sein“, sagte Justus Haucap, Wettbewerbsökonom und früherer Vorsitzender der Monopolkommission, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstagausgabe).

Das deutsche Wettbewerbsrecht sei zwar nicht grundsätzlich schwächer als das anderer Länder. „Die deutsche Fusionskontrolle war in den vergangenen Jahren deutlich schärfer als die amerikanische. Selbst die Übernahme von wenigen Tankstellen wird hierzulande sehr kritisch geprüft“, sagte der Forscher der Universität Düsseldorf.

Jenseits von Übernahmen gebe es aber tatsächlich Nachholbedarf. „Natürlich müssen Eingriffe ins private Eigentum gut begründet sein. Sollte es dazu kommen, muss es Entschädigungen geben. Ich gehe aber auch nicht davon aus, dass wir künftig reihenweise Entflechtungen sehen werden“, sagte Haucap. Auf die Frage, ob eine Zerschlagung von Unternehmen ohne den Nachweis missbräuchlichen Verhaltens, so wie Habeck es vorschwebt, nicht zu weit geht, sagte Haucap: „Das mag so wirken, aber eigentlich ist das Ganze nur das Gegenstück zur Fusionskontrolle. Da sagt man auch: Du darfst dein Unternehmen nicht an jeden verkaufen, selbst wenn du dir vorher nichts hast zu Schulden kommen lassen. Das ist auch ein tiefer Eingriff in die Eigentumsrechte, aber er dient der Gefahrenabwehr.“ Das Bundeskartellamt könne zwar keine Unternehmen aufspalten, die ihren Sitz in Großbritannien oder den USA haben.

„Aber man könnte dem Unternehmen theoretisch vorschreiben, seine Esso-Tankstellen in Deutschland an jemand anderes zu verkaufen. Wobei ich das Hauptproblem im Mineralölmarkt nicht bei den Tankstellen sehe, sondern eher bei den Raffinerien.“ Am Wochenende waren erste Pläne bekannt geworden, mit denen das Bundeswirtschaftsministerium den Wettbewerb im Mineralölmarkt stärken will, damit die Preise für die Verbraucher sinken. Hintergrund ist der Verdacht, dass Konzerne hohe Gewinne einstreichen und auch den Tankrabatt nicht voll an die Kunden weiterreichen.

Özdemir unterstützt Verschärfung des Kartellrechts

In der Debatte über die Weitergabe des Tankrabatts an die Autofahrer unterstützt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Pläne für eine Verschärfung des Kartellrechts. Özdemir sagte der „Rheinischen Post“ (Dienstag): „Nun passiert offenbar das, wovor viele Experten gewarnt haben: Die Mineralölkonzerne kassieren und die Verbraucherinnen und Verbraucher merken nichts von den Steuersenkungen.“ Es sei daher richtig, „wenn wir das Kartellrecht verschärfen“, so der Minister weiter.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte angekündigt, angesichts anhaltend hoher Spritpreise „möglichst schnell“ Vorschläge für ein schärferes Kartellrecht vorlegen zu wollen. Özdemir übte indirekt Kritik am Koalitionspartner FDP. „Statt Milliarden für einen Tankrabatt auszugeben, von dem nun die Konzerne profitieren, hätten wir Grünen das Geld bekanntlich lieber in den öffentlichen Nahverkehr investiert“, sagte der Minister. „Aber so gehen nun einmal politische Kompromisse.“

Kartellexperte begrüßt Habeck-Vorstoß

Der Kartellexperte Justus Haucap begrüßt die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplante Verschärfung des Kartellrechtes. „Aktuell erlaubt das Kartellrecht eine Zerschlagung nur, wenn ein Missbrauch von Marktmacht nachgewiesen werden kann und keine andere Maßnahme geeignet ist, diesen Missbrauch abzustellen“, sagte der frühere Chef der Monopolkommission der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). Das sei bisher noch nie vorgekommen.

Eine Entflechtung unabhängig von einem Missbrauchsverfahren gebe es bisher nicht. „Als Ultima Ratio sollten wir diese Möglichkeit im Kartellrecht etablieren, aber nicht nur für Tankstellen, sondern prinzipiell. Ich wäre zum Beispiel auch für eine Entflechtung der Deutschen Bahn AG.“

Der Düsseldorfer Ökonom bestätigte die Angabe des Bundesfinanzministers zum Tankrabatt: „Christian Lindner dürfte recht haben. Die Mineralölkonzerne haben offenbar nicht die volle Steuersenkung durchgereicht, aber sie haben auch nicht alles einbehalten.“ Es sehe so aus, als hätten sie sich einen Teil vom Kuchen geschnappt, aber nicht den ganzen Kuchen.

„Wie viel sie genau einbehalten haben, lässt sich nicht ganz einfach beantworten, weil auch andere Faktoren den Preis beeinflussen, wie etwa das kurz vor dem 1. Juni angekündigte Öl-Embargo, die ohnehin schon rückläufigen Dieselimporte aus Russland, die Entwicklung des Rohölpreises sowie Schwankungen des Dollar-Kurses.“

Justizminister offen für Verschärfung des Kartellrechts

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat sich offen für die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplante Verschärfung des Kartellrechts zur Bekämpfung zu hoher Spritpreise gezeigt. „Der Kampf gegen rechtswidrige Preisabsprachen ist eine wichtige Aufgabe in der sozialen Marktwirtschaft“, sagte Buschmann der „Rheinischen Post“. Das Recht kenne hier seit Langem das Instrument der Vermögensabschöpfung.

„Für verfassungskonforme Verbesserungsvorschläge sind wir grundsätzlich offen“, sagte der FDP-Politiker. „Allerdings liegt hier der Teufel im Detail“, so der Justizminister. „Prüfungsfähige Unterlagen liegen uns bislang aus dem BMWK nicht vor.“

Als Bundesjustizministerium prüfe man selber gerade Verbesserungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Habeck will die Mineralölkonzerne durch eine Verschärfung des Kartellrechts in ihre Schranken weisen.


Contra Verschärfung

Handel kritisiert Habecks Kartellrechtspläne als „Irrweg“

Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zur Schärfung des Kartellrechts sind in Teilen der Wirtschaft auf scharfe Kritik gestoßen. „Wir halten die Einführung missbrauchsunabhängiger Entflechtungsmöglichkeiten und kartellrechtlicher Gewinnabschöpfungsansprüche ohne Nachweis des Verschuldens für einen Irrweg“, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes HDE, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Ein solcher Blankoscheck für das Bundeskartellamt würde willkürliche und politisch motivierte Entscheidungen begünstigen“, so der Handelsvertreter weiter.

Er empfehle „dringend“, das Vorhaben nicht weiter zu verfolgen. Zwar sei auch der Handel von hohen Benzin- und Energiekosten betroffen und könne den Ärger nachvollziehen, sagte Genth. Die Pläne des Wirtschaftsministers allerdings hätten negative Folgen für Wettbewerb, Verbraucher und Wirtschaftsstandort Deutschland.

„Die Tätigkeit der Unternehmen im Wettbewerb ist ja gerade darauf gerichtet, eine marktstarke Stellung zu erlangen. Wenn eine aus eigener Kraft erreichte und nicht missbrauchte Marktmacht vom Gesetzgeber per se unter Generalverdacht gestellt wird, kann dies das Engagement von Unternehmen auf dem Markt von vornherein dämpfen“, führte Genth aus. „Das Damoklesschwert der Zerschlagung wird zudem internationale Investoren abschrecken und damit dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden.“

Die Einführung einer missbrauchsunabhängigen Möglichkeit zur Gewinnabschöpfung erscheine ebenfalls „extrem risikobehaftet“, so Genth weiter. „Auch weil die Abschöpfung legal erwirtschafteter Erträge möglich wäre, stellt sich dann ernsthaft die Frage, ob eine solche gesetzliche Maßnahme überhaupt verfassungskonform wäre“, warnte er. „Sie würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum und in die Substanz des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs des Unternehmens auf Verdacht möglich wären.“

Habeck hatte am Wochenende angekündigt, das Kartellamt mit mehr Eingriffsmöglichkeiten ausstatten zu wollen und damit auf die Debatte um hohe Spritpreise und mögliche Preistreiberei durch die Mineralölwirtschaft reagiert. Die Wettbewerbshüter sollen nach seinem Willen zusätzliche Untersuchungs-Befugnisse bekommen, beim Missbrauch von Marktmacht Gewinne abschöpfen und als letztes Mittel Konzerne zerschlagen können, um so für mehr Wettbewerb zu sorgen.

Habecks Kartellrecht-Pläne stoßen auf Kritik

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sorgt mit seinen Plänen zur Novellierung des Kartellrechts für neuen Streit in der Ampel-Koalition. FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer warf Habeck in der „Welt“ in diesem Zusammenhang Populismus vor. „Bundeswirtschaftsminister Habeck sollte in erster Linie dafür sorgen, dass der Tankrabatt bei den Menschen ankommt, anstatt mit populistischen Vorschlägen davon ablenken, dass dies bisher nicht geschehen ist“, sagte Meyer der Zeitung.

Habeck müsse sicherstellen, dass der Anspruch der FDP, die Autofahrer direkt zu entlasten, auch erfüllt werde. „Der zielführendste, einfachste und wirtschaftlich sinnvollste Weg wäre aus Sicht der FDP die Schaffung von Transparenz bezüglich der Preisentwicklung. Hierauf sollten sich Vorschläge aus dem zuständigen Ministerium konzentrieren.“

Eine Verschärfung des Kartellrechts komme – wenn erforderlich – erst später infrage. Auch von der Opposition im Bundestag kam Widerspruch. Das von Habeck geplante „missbrauchsunabhängige Eingriffsrecht wäre für alle Märkte und Unternehmen ein unkalkulierbares Instrument und würde Rechtsunsicherheit schaffen“, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Julia Klöckner (CDU).

„Der nächste Schritt wäre ja dann, die Unabhängigkeit der Behörde infrage zu stellen, sodass das Wirtschaftsministerium das Bundeskartellamt anweisen kann, in den Markt einzugreifen. Das traue ich zwar Teilen der Ampel zu, kann mir aber nicht vorstellen, dass das rechtssicher ist.“ Die Behörden hätten bereits jetzt viele Möglichkeiten, illegales Verhalten konsequent zu verfolgen.

„Das Bundeskartellamt hat die Mineralölkonzerne zu Recht im Blick“, so Klöckner. „Bisher gibt es eine Markttransparenzstelle, und eine Sektoruntersuchung läuft.“ Der Tankrabatt müsse ankommen und sollte nicht in anderen Taschen versickern.

„Daher ist es wichtig, dass das Kartellamt schnell und intensiv die Instrumente nutzt, die zur Verfügung stehen.“ Habeck selbst forderte die im Bundestag vertretenen Parteien auf, die von ihm geplante Verschärfung des Kartellrechts zu unterstützen. Er hoffe, „dass alle, die gefordert haben, dass das Kartellamt einschreitet, auch bereit sind, es in die Lage zu versetzen, einschreiten zu können“, sagte Habeck der „Welt“.

Er verstehe die Enttäuschung und den Ärger von Verbrauchern, wenn Konzerne die Steuersenkung, die als Erleichterung für Pendler gedacht war, „einfach als Gewinn einstreichen“, so Habeck. Die Nichtweitergabe der Kostensenkung offenbare aus seiner Sicht die „Probleme in einem vermachteten Markt, bei dem die Marktmacht in den Händen weniger liegt“. Um da ranzugehen, sei es mit einem Einbestellen der Konzernchefs nicht getan.

„Der richtige Weg ist, politisch zu handeln und sie mit den Handlungen zu konfrontieren“, so Habeck. Er wolle das Kartellrecht reformieren, damit es künftig leichter werde, unrechtmäßige Gewinne abzuschöpfen. „Das greift zwar jetzt nicht mehr für den Tankrabatt, aber es schärft die Schwerter für die Zukunft und sendet das klare Signal, dass Bereicherung auf Kosten anderer nicht so einfach geht.“