Köln | Ein düsteres Bild für Deutschlands Energieversorgung malten am Mittwoch, 8. Oktober, Rheinenergie-Vorstandschef Dieter Steinkamp und die Vorsitzende der BDEW-Geschäftsführung, Hildegard Müller zusammen mit Andreas Scheidt, Mitglied im Bundesvorstand von ver.di auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Werde das bestehende Gesetz zur Energiewende nicht umgehend angepasst, drohten uns in naher Zukunft stundenlange Netzausfälle.

Die konventionellen Energieversorger kritisieren vor allem, dass die Kraft-Wärme-Kopplung, die bis vor wenigen Jahren politisch noch gefordert und gefördert worden sei, durch die kürzlich vorgenommene EEG-Reform stark benachteiligt werde. Eine entsprechende Novelle, die hierbei Abhilfe schaffen soll, sei erst für 2015 geplant.  „Vieles ist in der Energiewende bisher gut und richtig gemacht worden, aber momentan läuft sie komplett aus dem Ruder“, so Dieter Steinkamp, RheinEnergie-Vorstandsvorsitzender. Der Erhalt der Kraft-Wärme-Kopplung, so Steinkamp, dürfe nicht „als Kollateralschaden so eben mal mit untergehen, nur weil andere Weichenstellungen unterbleiben.“

„20.000 Arbeitsplätze in Gefahr“

Die Rheinenergie beteiligte sich am Mittwoch zusammen mit ihrem Hauptanteilseigner, der Stadt Köln, und dem Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) an einem bundesweiten Aktionstag der Gewerkschaft ver.di unter dem Titel:  „Besser, man hat Reserven – Energiewende sicher gestalten“. Verdi befürchtet vor allem einen massiven Verlust von Arbeitskräften in der Energiebranche, ausgelöst durch eine fehlgesteuerte Energiepolitik. Andreas Scheidt, Mitglied im Bundesvorstand von ver.di erklärte, 20.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr, darunter viele Beschäftigte, die in sogenannten Kraftwerken  Ohne konventionelle Regel- und Ausgleichskraftwerke bleibe die Energiewende auf halbem Wege stehen, so Scheidt.

Nachregulierung der EEG-Reform

Alle Teilnehmer forderten die Politik auf, eine Balance zwischen dem Vorrang der subventionierten Erneuerbaren Energie einerseits und der ihrer Ansicht nach dringend notwendigen konventionellen Kraftwerksenergie andererseits zu herzustellen, weil sonst die Versorgungssicherheit in Gefahr sei. „Niemand kann ernsthaft wollen, dass in Deutschland auch nur für Stunden die Lichter ausgehen“, so Steinkamp. Auch entstünde dadurch ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden.

Langfristig müssten die Städte als Eigentümer kommunaler Energieversorger wie der Rheinenergie um ihre Gewinnabführungen fürchten. So rechne der Rat der Stadt Köln für 2014 fest mit einer Gewinnabführung in Höhe von 60 Millionen Euro zu Gunsten des städtischen Haushalts, so Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters, ebenfalls neuer Aufsichtsratsvorsitzender der Rheinenergie. In den 60 Millionen noch nicht enthalten: die Querfinanzierung anderer, defizitärer Unternehmen im Stadtwerkekonzern, wie etwa die KVB. Auch gehe es um die Sicherung der insgesamt 10.000 Arbeitsplätze innerhalb des Stadtwerkekonzerns, so Roters.

Forderung nach Kapazitätsmarkt

Müller fügte hinzu, die Energiewende brauche konventionelle Kraftwerke und vor allem die Kraft-Wärme-Kopplung als Rückgrat der Versorgungssicherheit. Momentan stünden jedoch teilweise neue Kraftwerke still, weil die Politik sich innerhalb weniger Jahre für einen anderen Weg entschieden habe.  „Die schwierige wirtschaftliche Lage im Stromerzeugungsbereich gefährdet die Versorgungssicherheit und Arbeitsplätze in Deutschland“, so Müller. Ihr Verband fordert daher die Einführung eines Kapazitätsmarktes für Strom, um Kraftwerksbetreiber für die Bereitstellung von Energie zu entlohnen. „Versorgungssicherheit kostet“, so Steinkamp. Im Moment erhielten Kraftwerksbetreiber jedoch nichts dafür, für den Fall von Versorgungsknappheit Reserven bereitzuhalten. Auch Anbieter Erneuerbarer Energien leisteten dazu keinen finanziellen Beitrag.

[infobox]Hintergrund

Strom­preise für Erzeuger seit Januar 2000 deutlich gestiegen

Im Durchschnitt lagen die Erzeugerpreise für Strom im August 2014 rund 35 Prozent höher als im Januar 2000. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilte, entwickelten sich die Preise für die verschiedenen Abnehmergruppen in diesem Zeitraum allerdings sehr unterschiedlich. Die Preise für an private Haushalte abgegebenen Strom haben sich über den gesamten Zeitraum von Januar 2000 bis August 2014 nahezu verdoppelt (+92 Prozent). Auch industrielle Großabnehmer (+76) und kleinere Gewerbebetriebe (+79) mussten deutlich mehr bezahlen.

Die Preise für Weiterverteiler lagen dagegen im August 2014 rund vier Prozent unter den Preisen von Januar 2000. Den bislang höchsten Stand hatte der Strompreis über alle Abnehmergruppen hinweg im Juli 2008 erreicht: Damals hatte der Preis um 61 Prozent über dem Wert von Januar 2000 gelegen. Vor allem eine verstärkte Nachfrage von Finanzinvestoren auf den Rohstoffmärkten und Konflikte in Nahost hatten für extreme Preise auf den Großhandelsmärkten und im Börsenhandel für Strom gesorgt. Besonders stark waren die Preise für industrielle Großabnehmer (Sondervertragskunden) (+68 Prozent) und Weiterverteiler (zum Beispiel Stadtwerke oder Versorgungsunternehmen) (+76) gestiegen.

Private Haushalte hatten im Juli 2008 hingegen nur rund 41 Prozent mehr für Strom gezahlt, kleine Gewerbebetriebe sogar nur 30 Prozent. Hier hatte dämpfend gewirkt, dass die Versorger Strom für kleinere Letztverbraucher längerfristig und in Raten beschaffen. Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise Ende 2008 fielen die Großhandelspreise für Strom deutlich, teilte das Statistische Bundesamt weiter mit.

Daneben sorgte die Zunahme des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energieträgern in den folgenden Jahren für einen niedrigeren Preis an den Strombörsen. Daraus konnten die privaten Haushalte ebenso wie kleine Gewerbebetriebe allerdings keinen Vorteil ziehen. Für sie wurde Strom auch nach Juli 2008 deutlich teurer und zwar bis August 2014 um 36 Prozent für Haushaltskunden und um 38 Prozent für kleine Gewerbebetriebe.

Bemerkbar machten sich darüber hinaus die gestiegenen staatlichen Belastungen wie beispielsweise die Stromsteuer und EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz). Diese zusätzlichen Belastungen trafen auch Großkunden wie Industrieunternehmen. Allerdings kamen ihnen die gesunkenen Großhandelspreise deutlich stärker zugute. Zum einen profitierten sie teilweise von kurzfristigeren Beschaffungsstrategien. Zum anderen wurde die direkte Beschaffung an den Strombörsen in den letzten Jahren für viele Industrieunternehmen attraktiver. Im August 2014 mussten industrielle Kunden für Strom nur rund fünf Prozent mehr bezahlen als im Juli 2008. Für Weiterverteiler sanken die Preise im gleichen Zeitraum parallel zu den Börsenpreisen um 46 Prozent.

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Autor: Daniel Deininger
Foto: Geht bald das Licht aus? Schenkt man den Schilderungen von Rheinenergie und BDEW Glauben, könnte ein nicht angepasstes EEG bald zu stundenlangen Netzausfällen führen.