Der Kölner Universitätsprofessor Karl Ubl mit seinem Beitrag zur Stadtgeschichte. Foto: Greven Verlag

Köln Zur der mehr als 2000-jährigen Kölner Stadtgeschichte sind inzwischen unzählige Bücher erschienen. Sie blicken auf die Römerzeit und das Hochmittelalter genauso intensiv wie auf die Zeit der Franzosen und der Preußen am Rhein. Nur zu einer Phase der Historie ist bislang nur wenig bekannt – der Übergang zwischen dem prosperierenden römischen Köln und der Blütezeit der rheinischen Metropole im Hochmittelalter.

In der Zeit zwischen 400 und 1100 wurde aus dem römischen Agrippina das deutsche Köln. Der Kölner Universitätsprofessor Karl Ubl beleuchtet in seinem neuen Band zur Kölner Stadtgeschichte diese vernachlässigten Jahrhunderte und zeichnet dabei das Bild einer Stadt im Umbruch – einer Stadt, die sich komplett neu erfinden musste, weil kulturelle Errungenschaften der Römer verloren gegangen waren.

Für den renommierten Historiker war die Recherche eine große Herausforderung, denn das Kölner Frühmittelalter gilt als eine sehr quellenarme Zeit. Und doch fand der gebürtige Wiener Ubl eine Bonner Urkunde aus dem Jahr 804, in der erstmals der Begriff „heilige Stadt Köln“ auftaucht. Damit reihte man sich direkt hinter Rom und Jerusalem in die weltweite Rangliste ein.

Das „heilige Köln“ als werbetaugliches Markenzeichen

„Sancta Colonia“ wurde zu einem echten und auch ziemlich werbetauglichen Markenzeichen inklusive des Heiligenkults und des Reliquienwesens. „Die Prägung des Begriffs heiliges Köln war eine beispiellose Erfolgsgeschichte, die bis ins 20. Jahrhundert andauerte“, sagt der Experte für das Frühmittelalter in der Rheinmetropole. Der Bau des Alten Doms unter Bischof Hildebald um 800 unterstrich diesen Anspruch. Er wurde 870 als zunächst dreischiffige Kirche geweiht.

Im 10. Jahrhundert wurde die faszinierende Legende um die hl. Ursula und ihre 11.000 Jungfrauen erfunden, die es bis ins heutige Stadtwappen geschafft hat. Sie machte Köln in ganz Europa bekannt. Eine Vielzahl neuer und imposanter Kirchen verlieh der Stadt ein neues Gesicht. Die Herrschaft über Köln erlangten die Bischöfe, die nicht alle bei den Kölnern wirklich beliebt waren, wie der Aufstand gegen Erzbischof Anno II. zeigt, der letztlich vertrieben wurde.

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Die Heiligen und der Kult um sie prägten aber auch den Alltag in der Stadt. Sie boten reichlich Gesprächsstoff und gaben mit ihren Kalendern dem Jahr eine Ordnung. Die Heiligen waren durch Rituale und Prozessionen auch gemeinschaftsstiftend. Viele Geschichten, die sich um sie ranken, sind heute in Köln noch hautnah erlebbar.

Auskunft über die Zeit des Frühmittelalters in Köln geben neben den wenigen schriftlichen Quellen, die zwischen 400 und 800 fast vollständig fehlen, archäologische Ausgrabungen in der Stadt. So hat man unter dem Heumarkt Hinweise zum Alltagsleben der Menschen, zur Glasherstellung und zur landwirtschaftlichen Produktion gefunden.

Von der römischen Kolonie zur deutschen Stadt

Es war die Zeit des Umbruchs. Die Römer verabschiedeten sich langsam von ihrer berühmten Kolonie. Das römische Imperium wurde von den germanischen Franken abgelöst. Zu Beginn des untersuchten Zeitraums hieß Köln noch Agrippina, am Ende fand sich der heutige Name Köln am Rhein wieder. Seit dem 9. Jahrhundert wurde Köln deutsch, wovon auch das frühmittelhochdeutsche Annolied zeugt.

Nachdem Köln durch die Völkerwanderung erheblich an Bevölkerung eingebüßt hatte und auch das christliche Leben beeinträchtigt war, erfolgte in der Karolingerzeit ein rasanter demografischer und wirtschaftlicher Aufschwung Kölns. Es begann die Selbst(er)findung einer Stadt am Rhein, die später zur bedeutendsten Metropole des Hochmittelalters wurde.

Der jetzt vorliegende Band ist ein Teil der auf 13 Bände groß angelegten Kölner Stadtgeschichte, die von der Kölner Historischen Gesellschaft herausgegeben wird. Noch fehlen zur Vollendung zwei Bände aus dem 20. Jahrhundert.

Karl Ubl: Köln im Frühmittelalter. Die Entstehung einer Stadt 400-1100, Greven-Verlag, 528 Seiten, 60 Euro