Unortkataster-Erfinder Jan Hopmann

Report-k.de: Guten Tag Herr Hopmann. Sind Sie heute Morgen schon an einem "Unort" vorbei gekommen?
Hopmann:
Sie werden lachen. Gestern Abend ist ein Unort an mir vorbeigekommen.  Oder vorbeigeschwommen. Direkt am Rhein: eine laut dröhnende Techno-Disko alias MS Rheinenergie. So was wird immer mehr Mode und ist  akustische Vermüllung entlang des Stroms. Damit man das richtig  versteht: Die Lautstärke ist so enorm, dass man am Ufer stehend bei 100 Meter Entfernung jedes normale Gespräch unterbrechen muss.

Was ist für Sie ein "Unort", und warum ist der von Ihnen genannte Ort so ein "Unort"?
Einen Unort definiert jeder anders, dieser Begriff ist auf Subjektivität  angelegt. Das kann man anhand der Internetplattform auch gut  nachvollziehen. Für mich ist grundsätzlich jeder Ort, an dem der Mensch
unwürdigen Eindrücken ausgesetzt wird, ob optisch, akustisch, durch  Geruch, Angstgefühl oder physische Barrieren, ein Unort.

Vor kurzem erst ist ja das von Ihnen entwickelte "Unortkataster" gestartet werden. Worum handelt es sich dabei genau?
Das Unortkataster ist eine Internet-basierte Plattform, die dazu  einlädt, seine persönlichen Unorte kartografisch sowie mit Text und Bild  neinzustellen. Die Plattform fordert aber auch dazu auf, über bestehende  Unorte abzustimmen und sie zu kommentieren, damit sich auch Gewichtungen
herausbilden. Generell soll so ein Diskussionprozess in Gang kommen, es  soll Aufmerksamkeit und Bewußtsein für diese Orte geschaffen werden. Letztlich bezweckt unsere Arbeitsgruppe aus dem ehrenamtlich organisierten Leitbildprozess natürlich Veränderungen durch die verantwortlichen Akteure in Politik und Verwaltung.

Wier funktioniert es?
Das Einstellen von Unorten funktioniert im Ablauf sehr einfach. Zunächst registriert man sich mit wenigen Klicks als neuer Nutzer. Dann sucht man sich auf der Karte – die übrigens sehr stark vergrößerbar ist – seinen Unortpunkt im Straßennetz und klickt doppelt auf diesen Punkt. Es öffnet sich dann ein Fenster, in das man die entsprechenden Einträge wie Überschrift, Kategorie, Text und Fotos eingeben kann. Die
Benutzerführung funktioniert dabei sehr instruktiv. In zwei Minuten ist man fertig. Gut ist, dass alle Unorte auch in  einer sortierbaren Liste zusammengefasst sind. Dort kann man sich sehr übersichtlich ein Bild
verschaffen und mit wenigen Klicks bestehenden Unorten seine Zustimmung geben.

Ist das Projekt zeitlich begrenzt?
Nein, auch Stadtentwicklung ist nicht mit einem Tag abgeschlossen, sondern versteht sich als kontinuierliche Entwicklung. Unser Projekt ist auf Langfristigkeit angelegt und soll nach Abschluss der Entwicklungs- und Forschungsphase seitens der KHM durch die Leitbildgruppe weitergeführt werden. Dabei soll die Plattform auch fortwährend auf sich ändernde Bedürfnisse der Benutzer angepasst werden. Inhaltlich soll das Unortkataster einen permanenten Prozess der Verbesserung der Lebensqualittät in Köln in Gang halten. So ist es auch in den Zielen des Leitbild 2020 beschrieben.

Was wird mit den gesammelten Daten gemacht?
Die Daten bekommen mit etwas Zeit eine gewisse "Reife", das bedeutet, durch Bewertung und Kommentierung ergeben sich im Laufe von Wochen bestimmte Relevanzen. Ziel ist, aufgrund solcher Relevanzen – in bestimmten Fällen natürlich auch aufgrund örtlicher Sachlage – Verbesserungen entschieden schneller voranzubringen, als dies in der Vergangenheit möglich war. Ziel ist aber auch, dass die Öffentlichkeit, d.h. konkret die Bürgerinnen und Bürger, sensibler werden im Bewußtsein mit ihrer direkten Umgebung. Sie sollen sich stärker identifizieren können, sollen durch Verbesserungen motiviert werden und auch eine stärkere soziale Kontrolle ausüben. Das Unortkataster versteht sich entgegen seinem Titel als sehr konstruktives Instrument – man darf nicht vergessen, es wurde von Bürgern für Bürger dieser Stadt entwickelt. Und wenn es die verantwortlichen Akteure etwas geschickt anstellen, dann wird Köln mit diesem bundesweit ersten Unortkataster Schlagzeilen machen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Infobox:
Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts "Citizen media" entwickelten die Kunsthochschule für Medien und die Intitiative "Leitbild 2020" ein digitales "Unortkataster" für Köln. Der Online-Nutzer  bekommt mit diesem Internet-Portal ein Instrument an die Hand, um Mängel im Kölner Stadtbild ortsbezogen zu bewerten.

Die Anregung zur Einrichtung des "Unortkatasters" geht zurück auf eine Initiative im "Leitbild 2020". Ab 20. September geht nach einer internen Testphase das Unortkatster online unter www.unortkataster.de. Im Rahmen des Architekturfestivals plan08 werden ist zwischen dem 20. und 26. September ein Meetingpoint eingerichtet, zu dem jeder kommen, die Plattform kennenlernen, Unorte markieren und bewerten kann.


Das Gespräch führte Nadin Hüdaverdi für report-k.de/ Kölns Internetzeitung