Berlin | Während Anton Hofreiter, Grünen-Fraktionsvorsitzender SPD und Union vorwarf, eine „Koalition des Stillstands“ zu sein, verteidigte SPD-Chefin Manuela Schwesig den Verhandlungsabbruch. Parteienforscher Oskar Niedermayer glaubt derweil, dass die mögliche Öffnung der SPD hin zur Linkspartei reine Taktik sei.

Hofreiter: Union und SPD schmieden „Koalition des Stillstands“

Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Anton Hofreiter, hat Union und SPD vorgeworfen, eine „Koalition des Stillstands“ zu schmieden. „Union und SPD schmieden an einer Koalition des Stillstands, wo Bewegung nötig wäre“, sagte Hofreiter am Mittwoch. Mit Blick auf das Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erklärte der Fraktionschef der Grünen, dass die Wirtschaftsweisen „mit ihrer Überschrift genau den Kern der sich abzeichnenden Koalition“ treffen würden.

„Sie ist rückwärtsgewandt.“ Deswegen drohten „zentrale Herausforderungen im Klein-Klein der Großkoalitionäre zu versanden“, so Hofreiter weiter.

Gabriel: Große Koalition nur bei klar erkennbaren sozial-ökologischen Reformen

Laut SPD-Chef Sigmar Gabriel wird es nur unter der Voraussetzung klar erkennbarer sozial-ökologischer Reformen zu einer Großen Koalition kommen. Das betonte Gabriel im Vorfeld des SPD-Bundesparteitags in Leipzig in einem Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“ (Donnerstagausgabe). Der SPD-Chef erinnerte daran, dass es noch im Oktober 2012 „eine reale Machtperspektive für Rot-Grün“ gegeben habe.

Auf ihrem Parteitag müsse die SPD auch darüber reden, „warum diese Perspektive danach immer schwächer geworden“ sei. Mit Blick auf die Zeit nach der jetzigen Legislaturperiode erklärte Gabriel, dass es natürlich das Ziel der SPD sei, im Jahr 2017 eine Regierung anzuführen. „Niemand kann heute wissen, wer dafür unser Partner sein wird.“

Schwesig verteidigt Verhandlungsabbruch

Die stellvertretende SPD-Chefin Manuela Schwesig hat den Verhandlungsabbruch in den Koalitionsgesprächen mit der Union verteidigt. Schwesig sagte der Online-Ausgabe der „Bild-Zeitung“: „Wir brauchen eine gesellschaftliche Modernisierung. Das habe ich in den Verhandlungen deutlich gemacht. Es hakt aber nicht nur bei der Gleichberechtigung Homosexueller, sondern auch bei Kita-Ausbau, Abschaffung des Betreuungsgeldes, Pflege und Frauenquote.“ Schwesig sagte „Bild“ weiter, dass es von Anfang an klar gewesen sei, dass es gerade bei den Gesellschaftsthemen krachen könne, wo es nicht nur ums Geld gehe. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende: „Wir sind nicht zum Kuscheln da, sondern müssen jetzt mit der Union hart um Lösungen ringen.“

SPD schlägt Kompromiss bei Frauenquote vor

Die SPD hat in den Verhandlungen bei der Frauen- und Familienpolitik einen Kompromiss vorgeschlagen. Die stellvertretende Parteivorsitzende, Manuela Schwesig, sagte der Online-Ausgabe der „Bild“-Zeitung: „Wir wollen den Anteil weiblicher Führungskräfte in Aufsichtsräten stufenweise erhöhen. Bis 2015 auf 25 Prozent, ab 2018 auf 30 Prozent und in 2021 auf 40 Prozent. Das soll noch zu Beginn dieser Legislaturperiode mit einer gesetzlichen Quote starten. Unternehmen, die sich nicht daran halten, müssen mit Sanktionen rechnen. Für Vorstände schlagen wir verbindliche Zielgrößen vor.“

Parteienforscher: Öffnung der SPD nach links ist reine Taktik

Der Parteienforscher Oskar Niedermayer hat die mögliche Öffnung der SPD hin zur Linkspartei als reine Taktik bezeichnet. „Ich glaube, für den Parteitag selbst war das eine taktische Geschichte, dass man doch versuchen musste, den Linken in der SPD, die eine solche Zusammenarbeit mit der Linkspartei befürworten, jetzt entgegenzukommen, damit der Parteitag nicht revoltiert gegen das Weiterführen der Verhandlungen mit der Großen Koalition“, sagte Niedermayer in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“. Die SPD müsse erkennen, dass sie keine eigene Machtperspektive mehr habe, wenn sie sich allein auf rot-grün verlässt.

Bislang habe es in den Koalitionsverhandlungen noch keine „wesentlichen Beschlüsse“ gegeben, mit denen der linke Teil der SPD zufrieden sein könne. Beim Mindestlohn ginge es nicht voran, so Niedermayer, daher müsse die SPD-Spitze nun anderweitig auf den linken Flügel zukommen.

Autor: dts