Das Pressefoto des TÜV Rheinland zeigt eine Fahrzeugüberprüfung in den 1960er Jahren. | Foto: TÜV Rheinland

Köln | Der TÜV Rheinland wird 150 Jahre alt und bejubelt sich selbst. So wie Jubilare dies nun einmal tun. Aber das Bild des Prüfdienstleisters litt nach dem Brustimplantate Skandal für den der TÜV Rheinland die Verantwortung ablehnt und sich selbst als Opfer sieht. Der TÜV Rheinland zeigt sich offen gegenüber neuen Technologien und adaptiert diese schnell in sein Prüfportfolio. Aus dem ehemals kleinen Verein wurde heute ein weltweit agierender und erfolgreicher Konzern.

TÜV Rheinland durch Brustimplantate-Skandal seit Jahren öffentlich belastet

Der TÜV Rheinland, wie ihn Prof. Dieter Spath, der Präsident und Vorstandsvorsitzender des Trägervereins ist, sieht: „Der selbstgestellten Aufgabe, nachhaltig und unabhängig für Sicherheit und Qualität zu sorgen, widmen wir uns auch 150 Jahre nach unserer Gründung mit ganzem Engagement. Diese Werte sind elementarer Bestandteil der Kultur unserer gesamten Unternehmensgruppe und fest in der Satzung des Trägervereins TÜV Rheinland Berlin Brandenburg Pfalz e.V. verankert“. Das klingt gut.

Dazu passt weniger, dass der TÜV Rheinland in einem der größten Medizinskandale Europas als Zertifizierer agierte. Der französische Hersteller  Poly Implant Prothèse SA (PIP) verkaufte minderwertige Brustimplantate. Rund 400.000 Frauen weltweit waren betroffen. Die Implantate waren mit billigem Industriegel gefüllt. Sie lösten Schmerzen und Entzündungen aus und die Frauen die die Implantate eingesetzt bekamen waren einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt.

Der TÜV Rheinland zertifizierte die Implantate europaweit. Er prüfte allerdings die Implantate nicht selbst, sondern das Qualitätsmanagement von PIP. Seit Jahren werden Verfahren vor Gericht über die Verantwortung des TÜV Rheinland ausgetragen. Mehr als 200 Prozesse gewann der TÜV Rheinland. Aber in Frankreich verloren die Prüfer zwei Mal. Zunächst in Toulon, dessen Urteil ein Berufungsgericht in Aix-en-Provence bestätigte. Die Richter waren der Auffassung die Prüfer hätten genauer hinsehen müssen. Der TÜV Rheinland bildete Rückstellungen von rund 90 Millionen Euro und rutschte 2020 bilanziell sogar in die roten Zahlen. Allerdings haben die Kölner Prüfer vor dem höchsten französischen Gericht Berufung eingelegt. Der TÜV Rheinland sieht sich in der Opferrolle des Betrogenen und zeigt kein Verständnis dafür für andere haften zu müssen.

Hier begann alles

Der Ausgangspunkt war die Vision Technik solle dem Menschen nutzen und ihm nicht schaden. Dies präge den TÜV Rheinland seit 150 Jahren. Der startete seine weltweite und steile Erfolgsgeschichte am 31. Oktober 1872 als Verein mit dem Namen „Verein zur Überwachung der Dampfkessel in den Kreisen Elberfeld und Barmen“ (DÜV). Heute ist der Konzern weltweit aktiv und erwirtschaftet mit rund 20.000 Mitarbeitenden über 2 Milliarden Euro Umsatz.

Zu Beginn der Industrialisierung etwa in Wuppertal explodierten immer wieder einmal Dampfkessel. Menschen starben oder wurden verletzt. Der Staat kontrollierte nicht. Der DÜV etablierte unabhängige Prüfungen und sorgte so für mehr Sicherheit. Die Zahl der Unglücke sank, obwohl die Zahl der Dampfmaschinen zunahm. Dies begründet den Ruf des TÜV Rheinlands.

Fünf Jahre später schlossen sich 80 Dampfkesselbetreiber zum „Rheinischen Dampfkessel-Überwachungsverein (DÜV) Cöln-Düsseldorf“ zusammen. Sie wurden im Deutschen Kaiserreich geadelt in dem der Staat ihnen hoheitliche Sicherheitsinspektionen zuschrieb. Mit der fortschreitenden Industrialisierung kamen rasch neue Aufgaben hinzu. So prüften die Techniker des TÜV bald auch Aufzüge, Kraftwerke oder Tankanlagen. Das Verkehrswesen zunächst dampfgetriebene Schiffe und Lokomotiven und ab 1904 auch Kraftfahrzeuge kamen ins Portfolio der Prüfer. Heute prüft der TÜV Rheinland weltweit jedes Jahr bis zu 10 Millionen Fahrzeuge. Mit dem Aufstieg der motorisierten und fossilen Mobilität wuchs der TÜV.

Nationalsozialisten geben TÜV den heutigen Namen

1936 werden die Dampfkessel Überwachungsvereine unter staatliche Kontrolle gestellt. Die Nationalsozialisten nehmen die Namensumbenennung vor: Technische Überwachungsvereine, also TÜV. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Strukturen wieder aufgebaut. Anfang der 1960er Jahre arbeiteten beim TÜV Köln wieder 600 Menschen und es gab 6 Standorte im Rheinland. Die Unternehmensstruktur veränderte sich mehrfach, das Unternehmen gründete Tochtergesellschaften und integrierte deutschlandweit andere Überwacher. Heute agiert der TÜV Rheinland in 69 Ländern. Die Aktien der TÜV Rheinland AG liegen vollständig im Besitz des Vereins TÜV Rheinland Berlin Brandenburg Pfalz.

China ist der größte ausländische Standort

Der größte ausländische Standort des TÜV Rheinland ist in China. Dort arbeiten rund 4.000 Menschen für den TÜV Rheinland. Insgesamt arbeiten an den ausländischen Standorten rund 12.000 Mitarbeitende. Aber der TÜV prüft nicht nur, sondern ist vor allem in der Weiterbildung aktiv. Der Campus Köln der TÜV Rheinland Akademie bietet über 15.000 Veranstaltungen jährlich an. Rund 200.000 Menschen jedes Jahr durchlaufen hier ihre Weiterbildungsseminare.

Dabei bleibt der TÜV Rheinland nicht stehen, sondern okkupiert neue Technologiebereiche dann, wenn sie entstehen, wie etwa Cybersicherheit oder Testverfahren für die Anwendung von Künstlicher Intelligenz. Auch in der Elektromobilität wollen die Prüfer aus dem Rheinland wieder ganz vorne mitspielen und bauen moderne Prüfzentren für Elektrofahrzeuge oder den „Battery Quick Check“ auf. Auch auf dem Feld der Wasserstoff-Technologie will sich der TÜV Rheinland als kompetenter Partner einbringen.

So sagt der TÜV Rheinland-Vorstandsvorsitzende Dr. Michael Fübi: „Wir richten den Blick nach vorne. Seit 150 Jahren gilt: Wir sehen uns als Partner neuer Technologien, weil wir Innovationen durch Sicherheit erfolgreich machen. Gestern waren es Dampfkessel, heute sind es regenerative Energien, morgen ist es Künstliche Intelligenz.“