Die Kölner Künstlerin Gerda Laufenberg und Vorsitzende von Literamus, freut sich über den Besuch von Wolf Biermann


 



 


Unser Praktikant kennt Biermann nicht mehr, die Ikone. Biermann, der Schnauzbartträger, der Töne aus seinem Körper schrauben kann, so tief wie ein 40Tonner der ohne Vorglühen gestartet wird. Biermann liest seine Übersetzungen der Shakespearschen Sonette. Nein Entschuldigung, der singt sie, liest sie, brummt sie, emotioniert sie. Übersetzungen begonnen in der „bleiernen Zeit, 1988“ wie er es selbst nennt. „Bleierne Zeit“, weil 1988 da glaubte Biermann nicht an das Ende der DDR, schon zwei Jahre später. Warum Shakespeare, Sonette, der politische Liedermacher… da kam ein junger Engländer vorbei, erzählte ihm den wissenschaftlichen Hintergrund und erklärt ihm dem Biermann, das kann er nicht übersetzen.



Die Lederjoppe von Biermann


 


Das reizt einen wie Biermann. Das ist Herausforderung, an sich selbst scheitern, Biermann gibt zu es war nicht leicht für ihn. Und er der Bildungsbürger klärt uns auf: Sonett, immer vierzehn Zeilen, Petrarca hat das Sonnett erfunden, die Form des Sonetts ist streng, immer das gleiche Reimschema, immer gleiche Zeilenlänge. Das ist das Schwierige für Biermann, die Form. Und Shakespeare, er macht es anders als Petrarca, der hatte immer vier vier drei drei Zeiler die dann 14 ergeben. Shakespeare schreibt dreimal vier und einmal zwei. Und die zwei haben es in sich, denn da dreht er das Sonett, gibt ihm eine andere Wendung. 154 Sonette! Keines trägt einen Titel eine Headline, einfach durchnummeriert.








 


Und so hören wir an diesem Abend, zwei alte großartige Dichter. Der eine, geistige Urheber über 40 Jahre alt vor 400 Jahren der andere über 60. Und um was drehen die Dichter ihre schlaflosen Nächte, Begierde, Kapitalismus, Geld, Macht, Lust, Jugend. Das macht Biermann <->Shakespeare so spannend. Da sind zwei eins geworden. Biermann mit seiner irgendwie dreckigen, deutschbluesigen Stimme die rauchig kaschemenartig, wunderbare moderne Textelemente ausspeit, aussingt, fleht, begehrt, grunzt, über Schwänze redet, übers Schwulsein, über Alchemie, Zeilen erzählt: „Fülle Deine Essenz in eine Phiole“. Aber auch Situationen in der die Nichterfüllung Erfüllung ist.


 


 


Sonett Nummer: 18 : 20 : 22 : 49 : 60 : 66 : 70 : 71 : 73  : 88 : 76 : 90 : 91 : 109 : 116 : 130 :138 : 143 : 154 fliegen an uns vorbei. Dazwischen immer wieder Erklärungen, Biographisches von Biermann. Biermann kann viel erzählen, einordnen, verordnen.


 


„Shakespeare ist viel säuischer, aber auch erhabener, die Amplitude ist riesengroß zwischen niedrig und riesengroß“, sagt Biermann. „Das Sonett 143, geht ausschließlich über den Schwanz, das Zentralorgan des Mannes“, im Englischen Willi. Dazu die Sprachfindung Biermanns, in seinen Übersetzungen hat Biermann eine moderne Sprache gefunden, die die Shakespearschen Sonette ins 21. Jahrhundert entführen“. Biermann hätte das nicht als junger Spund gekonnt. Biermann war reif für diese literarische Großtat.



 



 


Wenn der Herr Biermann in ihre Stadtteilbibliothek kommen sollte, gehen Sie hin, auch wenn er in anderen Häusern liest. Das ist einmalig. Am Ende hat man den Eindruck Biermann ist traurig, das der Vortrag schon vorbei ist, er könnte auch noch zwei Stunden weitermachen. Biermanns Stimme ist auch so faszinierend und sie werden auch bei geschlossenen Augen Biermann erhören. Das ist so, wie wenn der deutsche Synchronsprecher von Robert de Niro Kaffeewerbung macht und man sofort meint man ist in Taxi Driver.


 



 


Im übrigen können Sie sich Biermann auch in Ihren heimischen CD-Player holen. Oder statt zuzuhören, auch wenns ein Biermann spricht, lesen: Die Hör-CD ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.