„Es stand ein Baum am Waldesrand
Und war organisiert.
Er war im NS-Baumverband,
damit ihm nichts passiert“

Dieses Gedicht schrieb Karl Küpper vermutlich 1938. Wenige Woche oder Monate später erhielt er für seine Rede „Filmstar“, gehalten am 12. Januar 1939 im Börsensaal in Köln lebenslanges Redeverbot. Denn im Publikum saßen an diesem Tag in den ersten drei Reihen NS-Träger und lauschten empört den Worten des Karnevalisten. Auf der Bühne nahm Küpper kein Blatt vor den Mund. Mit deutlichen Worten zog er Hermann Göring als „dicken Hermann“ durch den Kakao. Er ahnte wohl was kommen sollte. Denn schon am Ende seiner Rede ließ er verlauten „Ich ben jo so froh, dat ich hier setze. Et is mr ja schließlich egal, wo ich setze. Aber mr muß dioch e bisge vorsichtig sein“, heißt es in der Rede. Vorsicht war auch bei seinem Gedicht geboten. Nachdem er nach einem Vortrag desselben Probleme bekam, formulierte Küpper die Verse kurzerhand um:

„Es stand kein Baum am Wegesrand,
er war nicht organisiert.
Er war nicht im NS-Baumverband,
damit mir nichts passiert“


Narrenfreiheit bis an die Grenze
Karl Küpper war einst Kölns bekanntester Büttenredner im Karneval. Dabei hielt er insbesondere politisch motivierte Reden und kritisierte humorvoll und satirisch die Oberen – auch während der NS-Zeit. „Er war der einzige Büttenredner Kölns, der sich in der NS-Zeit gegen die Obrigkeiten auflehnte“, betonte heute Auto Fritz Bilz. Er selbst bezeichnete sich selbst nie als Widerständler, kämpft jedoch Zeit seines Lebens für die Meinungsfreiheit. „Er nutze die ihm zustehende ‚Narrenfreiheit’ bis an die Grenze“, so Bilz. Als einziger Kölner Karnevalist machte er sich auf den Bühnen Kölns über die Nationalsozialisten lächerlich und verhöhnte etwa den Hitlergruß. Im Rosenmontagszug gingen zu dieser Zeit sogar antisemitische Fußgruppen mit, andere Büttenredner hielten bei ihren Auftritten antisemitische Reden.

Auch Karl Küpper selbst war nicht ganz frei davon, so Bilz. In einer seiner Rede erzählte er selbst einen antisemitischen Kalauer. „Es überwiegen jedoch eindeutig die NS-kritischen Töne“, betont Bilz. Das zeigt auch ein Gerichtsverfahren im August 1939. Das Kölner Gericht verurteilte Karl Küpper unter anderem wegen „Verächtlichmachung“ des „deutschen Grußes“, der Person Görings und weiterer sowie von Kriegseinrichtungen. 1944 wurde sein Redeverbot schließlich wieder aufgehoben. Karl Küpper betrat mit seinen politischen Reden erneut die Bühne. Er wetterte gegen Stadtspitze und die Wiedergutmachung an den Vertriebenen, erinnerte aber auch an die NS-Zeit, bis er sich 1958 schließlich aus dem Karneval zurückzog.


Foto: Gerhard A. Küpper (l.), Sohn von Karl Küpper, und Autor Fritz Bilz (r.)


„Eine Ausnahmeerscheinung im Kölner Karneval“
Karl Küpper war „eine Ausnahmeerscheinung im Kölner Karneval“, so heute Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums, die nicht in Vergessenheit geraten dürfte. „Größer als der Schmerz in der NS-Zeit war für meinen Vater die Zeit nach dem Krieg“, erzählte heute Gerhard A. Küpper, Sohn des Büttenredners. Denn Jahrzehnte wurde er in seiner Heimatstadt Köln totgeschwiegen. Dafür kamen immer wieder Kölner Bürger in die Kneipe in Köln-Kalk, um sich bei Küpper zu bedanken, erinnert sich Gerhard A Küpper. Auch das NS-Dok selbst nahm ein Interview mit Küpper erst im vergangenen Jahr in seine Dauerausstellung auf. Im kommenden Jahr soll nun eine Sonderausstellung zum Thema „Kölner Karneval in der NS-Zeit“ präsentiert werden. Da werde auch Karl Küpper eine nicht unwesentliche Rolle spielen, erklärte Jung.

Auch das Kölner Karnevalsmuseum hat inzwischen Interesse an der Lebensgeschichte Küppers gezeigt. So will Gerhard A. Küpper den gesamten Nachlass seines Vaters an das Karnevalsmuseum übergeben. „Ich bin tief beeindruckt“, so Gerhard A, Küpper über das Buch. Bilz habe manche Rede und Schrift ans Licht gebracht, die der Familie völlig unbekannt sei. „Außerdem ist es wieder an der Zeit, die Meinungsfreiheit in Deutschland zu stärken“, so Küpper. Er hoffe, dass die Geschichte seines Vaters dazu beitragen könne, dass mehr Menschen den Mut zur offenen Aussprache finden. Darüber hinaus regte Bilz heute an, einen „Karl-Küpper-Preis“ für politisch motivierte Reden im Kölner Karneval zu vergeben.



„Unangepasst und widerborstig. Der Kölner Karnevalist Karl Küpper“
Fritz Bilz
Hrsg. Geschichtswerkstatt Köln-Kalk e.V.
1. Auflage 2010
199 Seiten, gebunden
ISBN:978-3-935735-08-7
19,95 Euro

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung
[Foto Karl Küpper: Gerhard A. Küpper]