Der Kölner Anwalt Dr. Nico Schmied. Foto: Schmied

Köln | Als vor kurzem die bundesweite Kriminalitätsstatistik des Jahres 2022 von der Polizei veröffentlicht wurde, war das Entsetzen groß.

Denn es sind bedenkliche Anstiege bei den verschiedenen Delikten festzustellen.

Jemand, der das Ausmaß in der täglichen Arbeit in den Gerichtssälen persönlich erlebt, ist der Kölner Rechtsanwalt Dr. Nico Schmied. Wie deutet ein Jurist die derzeitige Lage und die aktuellen Zahlen?

„Als Rechtsanwalt vertrete ich auch Polizisten und Opfer von Straftaten. Als Dozent an der Technischen Universität Dortmund und der Universität Bonn (Eliteuniversität) lehre ich seit fast einem Jahrzehnt im Themenfeld Sicherheitspolitik“, stellt er sich vor und führt gegenüber report-K aus: „Es lassen sich subjektiv zwei Trends feststellen:

1. Wo früher Ruhe war, wenn die Polizei eintraf, geht es jetzt erst richtig los. Aus meiner Sicht brauchen wir höhere Strafen für Angriffe auf Polizeibeamte, Notärzte und Rettungskräfte.

2. Im Fall der Verteidigung von Opfern von Straftaten fällt mir subjektiv eine Zunahme der Gewalt, gerade auch unter Jugendlichen, auf.“

In einem aktuellen Fall seiner Kanzlei sei ein junger Mann vor einem Hauptbahnhof einer deutschen Großstadt von hinten attackiert worden – auf dem Boden liegend wurde Ihm mehrfach gegen den Kopf getreten. Folge hiervon waren schwerste Kopfverletzungen. Der Angriff hätte tödlich enden können.

„Opfer von Gewaltstraftaten leiden mitunter nicht nur an den -manchmal bleibenden physischen Folgen – sondern auch unter jahrelanger psychischer Beeinträchtigung. Allein die Zeugenaussagen bei Staatsanwaltschaft und Polizei sowie später vor Gericht fallen schwer, da die Straftat -manchmal Jahre später- nochmals bis ins kleinste Detail durchlebt werden muss“, weiß Dr. Schmied.

Untermauert wird dieser Eindruck von den aktuellen Kriminalitätsstatistiken.

Besorgniserregend: Die Gewaltkriminalität stieg bundesweit besonders – nämlich um 19,8%

Das Delikt des Raubes, welches durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt geprägt ist, ist um 26,8% angestiegen. Sexualdelikte stiegen um 20,1%. Es gibt einen deutlichen Anstieg bei Widerstand gegen und tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte – seit Jahren gibt es hier eine kontinuierliche Zunahme.

Wenn die Bürger denken, dass der Staat sie nicht mehr schützen kann, dann sehen wir zum Beispiel Dinge wie aktuell die Anzahl der bundesweit steigenden Kleinwaffenscheine.

Dr. Nico Schmied

Vor allem Berlin bereite den Behörden Sorgen. Vor wenigen Tagen erschien die Kriminalitätsstatistik aus Berlin:

Besonders zugenommen hat die Anzahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen in der Hauptstadt. Tatverdächtige unter 21 Jahren gab es 20,2% mehr als im Vorjahr.

Der Jurist: „Hierbei müssen wir bedenken, dass wir nur von sog. Helldelikten sprechen, also Delikten, die tatsächlich von der Staatsanwaltschaft oder Polizei wahrgenommen werden. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich hoch. Vielen Opfern ist es auch unangenehm, Opfer einer Straftat geworden zu sein und bringen diese deshalb nicht zur Anzeige.“

Besonders auffällig sei ein gefährlicher Trend: „Die Straftaten mit dem Tatmittel „Messer“ sind in den letzten Jahren so stark angestiegen, dass man sich seit 2020 entschlossen hat, diese bundeseinheitlich als „Phänomen“ zu erfassen. Dies war früher gar nicht notwendig. Hierbei wird aber das bloße Mitführen eines Messers bei einer Straftat nichtmal erfasst – was schon abstrakt gefährlich sein kann. In Berlin stieg die Zahl der zum Einsatz gekommenen Messer um 19,4%.“

Der Kölner appelliert weiter: „Wir reden hier von den Grundfesten unseres Staates. In meiner letzten Buchveröffentlichung habe ich mich intensiv mit den Kernleistungsbereichen des Staates beschäftigt. Die Bereitstellung von Sicherheit für seine Bevölkerung ist hier der wichtigste Leistungsbereich des Staates. Hierdurch erhält der Staat Legitimität.

Wenn die Bürger denken, dass der Staat sie nicht mehr schützen kann, dann sehen wir zum Beispiel Dinge wie aktuell die Anzahl der bundesweit steigenden Kleinwaffenscheine. Auch dies ist eine besorgniserregende Entwicklung.“