report-k:Kann jeder bei der offenen Wunde mitmachen, ganz egal was er wie vortragen möchte? Und muss ich mich vorher anmelden?


Rupert Schieche:Die Idee der offenen Wunde ist, erst einmal geht alles, jeder kann mitmachen, sich spontan bei mir melden und dann auf die Bühne in der ehemaligen Kegelbahn gehen. Ganz am Anfang vor sechs Jahren habe ich sogar gesagt, ihr könnt machen was ihr wollt, Euch auch ausziehen. Im dritten Jahr kam einer, der total alkoholisiert war, und der hat sich dann wirklich ausgezogen. Als dem dann noch ein Messer aus der Hose fiel, habe ich die Veranstaltung abgebrochen. Seitdem sage ich immer, Alles bitte nur nicht ausziehen. Das einzige Limit ist die Zeit, 10 Minuten und keine länger.


report-k:Brichst Du häufiger die Veranstaltung, ab? Heute hast Du ja auch nach einiger Zeit die vier Jungs und ihr Chaos am Schluß beendet.


Rupert Schieche: Nein, nur dann wenn es zu unruhig wird und die Veranstaltung nur noch in Klamauk abrutscht. Das verhindert dann die wirklich guten und schrägen Nummern.


report-k:Hast Du ein paar schöne Beispiele dieser schrägen Nummern für unsere Leser?


Rupert Schieche: Ja, die schrägsten Nummern entstehen aus der Spontanität. Einmal hatten wir wenig Anmeldungen, dann sind ein paar Stammgäste einfach auf die Bühne gegangen und haben Udo Lindenberg gesungen, das war einfach spitze. Bei einer der ersten offenen Wunden hat einer, gekleidet in einem Sado-Maso Kostüm, seinen Freund aus seiner Doktorarbeit, vorlesen lassen. Das war auch noch eine BWL-Arbeit. Er stand die ganze Zeit hinter ihm und immer wenn der Freund sich verlesen hatte, tauchte er seine Peitsche in Ketchup. Den Vorleser, seinen Freund, hat er dann leicht und symbolisch ausgepeitscht. Wenn bisher nicht gestrichen wurde sieht man heute noch die roten Flecken an der Decke.

report-k: Melden sich immer die gleichen Künstler an?


Rupert Schieche: Fritz Hille, der kommt öfter. Leute im Publikum kommen nur wegen ihm, weil der einfach mit seinem Diletantismus perfekt umgehen kann. Und deshalb lasse ich ihn auch immer anfangen, weil er einfach die Gabe hat das Publikum so aufzureissen. Auch Flotte Totte, ein Liedermacher, ist regelmäßig dabei.
Flotte Totte moderiert auch die offene Wunde wenn ich mal nicht kann. Heute Abend war er im Publikum.


report-k: Heute Abend war ja ein gemischter Abend, Wort- und Musikbeiträge hielten sich in etwa die Waage. Ist das immer so?


Rupert Schieche: Das variiert auch immer wieder von Zeit zu Zeit, da gab es schon Abende da war nur Musik und dann auch Abende da überwog das gesprochene Wort. Dann gab es Abende an denen sich Leute mit Ihren Percussion-Instrumenten über die ganze Bühne ausgebreitet haben. Oder Gruppen, die mit Popcorn auf der Bühne rumgesaut haben. Das Publikum und ich lieben diese Abwechslung und die traschigen Aktionen.


report-k:Rupert, Du selbst bist aber mehr ein Mann des gesprochenen Wortes?


Rupert Schieche: Ich bin mehr lyrisch veranlagt, finde in meiner umfangreichen Sammlung immer wieder Gedichte, die ich gerne vortrage. Das sind dann nie meine eigenen Texte, sondern immer andere Autoren. Bewußt wähle ich auch manchmal schwierige Stücke aus, damit auch Literatur vorkommt und nicht nur Klamauk. Einmal habe ich den Zauberlehrling von Goethe vorgetragen. Das soll auffordern ungewöhnliches, skurilles, groteskes, aber auch literatisches vorzutragen.

report-k:Bereitest Du Dich dann gezielt auf die offene Wunde vor, oder triffst Du nachmittags die Entscheidung was Du am Abend machst?

Rupert Schieche: Das entscheide ich immer erst spontan am Nachmittag.  Ich bereite mich auch nicht vor, oder plane das wochenlang. Das würde auch nicht zur Idee der offenen Wunde passen.






Die starke Mimik des Rupert Schieche.

report-k: Rupert, Dein Vortrag sprachlich wörtlich und Deine Mimik sind kräftig, ausgeprägt und emotional mitreissend. Bist Du ein Naturtalent.

Rupert Schieche: Ich bin Schauspieler, Regisseur und mache sehr viel Improvisationstheater. Hier bei der offenen Wunde, meinem Baby sozusagen. Es gab da auch einen Untertitel, die offene Wunde, es darf auch wehtun. Kann man hier unemotional bleiben.

report-k: Bei der offenen Wunde ist der Eintritt frei. Warum?

Rupert Schieche: Im Gegensatz zum Wohnzimmertheater, die mit Voranmeldung arbeiten, kann hier eben alles passieren. Bei der kein Eintritt-Regelung kann das Publikum auch keinen Anspruch für sich reklamieren. Das hält die Spontanität in der offenen Wunde. Und es wird auch keine Erwartungshaltung vorher aufgebaut. Dann dauert beispielsweise ein Umbau mal länger, den ich nicht kommentiere dann stärkt das den unorganisierten Charakter. Und wenn wir viele Anmeldungen haben, nehme ich mich selbst zurück. Wichtig ist, daß hier der Künstler im Vordergrund steht, sich ausprobieren kann.


Rupert Schieche, wir danken Dir für dieses Gespräch.