Blick auf die schöne Spitze des Bollwercks Richtung Severinstorburg


 


„Wir haben den Fund erwartet, von der Zeitplanung und von der Budgetierung eingeplant. Rund 15.000 Euro teuer wird die Teilbergung und der Abriss“ sagt Walter Reinarz, Mitglied des Vorstandes der KVB. Mit dem Abriss verschwindet ein Teil des alten Köln, der die Stadt immerhin über 300 Jahre geprägt hatte. Aber schon 1886 war man in Köln nicht zimperlich mit der Vergangenheit. Damals riss man den oben liegenden Teil des Bollwercks in der Euphorie der Gründerzeit einfach ab und baute für den Aufschwung die Kölner Neustadt auf dem Gelände der alten Festungsanlagen. Der Teil der jetzt wieder sichtbar ist, wurde 1896 mit Schutt aufgefüllt und geriet in Vergessenheit.


 



Skizze der Anlagen mit einer ungefähren Einzeichnung der heutigen Höhen. (Nicht masstäblich)




Links im Vordergrund das Niveau der Festungsanlage im Bildhintergrund sehen wir die Passanten die über den Chlodwigplatz gehen. Blickrichtung Bonner Straße


 


Eine riesige Festungsanlage hatte man damals im Mittelalter aufgebaut, rund um Köln. Eine der modernsten Europas. Dies führte dazu, daß Köln im Mittelalter nie von fremden Heeren eingenommen wurde. Mit der Erfindung der Feuerwaffen und der schweren Artillerie war es um 1469 nötig geworden die alten Stadttore zu verstärken, denn ihre hölzernen Türen mit Eisenbeschlag hielten keinem Artillerie-Beschuß stand. Daher setzte man eine Festungsanlage davor, die in ihrer Blütezeit eine Länge von über 200 Metern hatte. Mit Gräben und eben auch Geschützen.


 



Archäologen bei der Arbeit, alles wird genau vermessen, aufgezeichnet und so virtuell der Nachwelt erhalten




Marcus Trier, Bürgermeisterin Scho-Antwerpes und Carl Dietmar (links) im Fachgespräch. Als Architektin hatte Scho-Antwerpes besonderes Interesse an den Funden.


Blick von der Mauer des Festungsturms auf die Anlage. Die Öffnungen sind die Oberlichter des ehemaligen Tiefgeschosses.


Detail Oberlicht




Versorgungsrutsche für das Untergeschoss


 


Allein die Mauern des Festungsturmes hatten einen Durchmesser von 4,5 Metern. Gemauert wurden sie aus Basalt, Trachyt, Tuff, Ziegel und Mörtel. Aber nicht nur um Festigkeit ging es beim Festungsbau des 15. Jahrhunderts. Ästhethik spielte eine große Rolle. In Italien begeisterten sich zu dieser Zeit Michelangelo und Leonard da Vinci mit dem Bau von Festungen. Die gerade aufblühende Buchdruckkunst verbreitet das Wissen vom Festungsbau in Form von Büchern. (Die Historie der Festungsanlage lesen Sie bitte im Kontextbereich von report-K)


 



Dieser Teil der Anlage wird erhalten, Stein für Stein abgetragen, nummeriert, zwischengelagert und eventuell in die Haltestelle integriert, oder an anderer Stelle wieder aufgebaut


 


Was passiert jetzt mit dem stadtgeschichtlich und historisch bedeutenden Bauwerk? Es wird abgetragen, einen Teil, vor allem den vorne gelegenen Zierteil will man erhalten. Die einen wünschen sich eine Integration in die neue Haltestelle, andere sprachen davon ein endgültiger Platz sei noch nicht gefunden. Die archäologische Sicherung findet unter der Leitung von Prof. Hansgerd Hellenkemper, dem Direktor des römisch germanischen Museums statt. So will er auch dafür sorgen, daß die eventuell verbauten römischen und jüdischen Grabsteine geborgen werden. Hellenkemper geht davon aus, daß nach der Vertreibung der Juden aus Köln, auch Grabsteine aus dem jüdischen Friedhof an der Bonnerstr, verbaut wurden.


Prof. Hellenkamp mit dem archäologischen Team


 


Denn Stein, vor allem Naturstein war damals teuer in Köln. So musste zum Beispiel der Trachyt extra vom Drachenfels herbeigeholt werden. Dieser ist auch heute noch sehr beliebt, vor allem bei der Dombaumeisterin. Denn aktuell darf kein Trachyt mehr am Steinbruch im Drachenfels gebrochen werden und so ist die Nachschubquelle Denkmal im Boden natürlich für die Dombaumeisterin wichtig. Hier hat Hellenkamp der Dombaumeisterin schon die in Trachyt gearbeiteten Oberlichter versprochen, die dann irgendwann ein Detail des Domes zieren werden.


 


Wer sich also dieses imposante und für die Kölner Stadtgeschichte so wichtige Dokument der Zeitgeschichte noch einmal live und vor Ort ansehen will der sollte sich sputen und dies möglichst noch an diesem Wochenende tun.


 


Bürgermeisterin Scho-Antwerpes sagte in Ihrer kurzen Rede: „Ich persönlich freue mich, dass trotz der notwendigen Verluste hier und jetzt Kölner Geschichte erschlossen wird. Es ist ein wichtiges Kapitel des Kölner Spätmittelalters.“


 


Kritische Stimmen am Rande forderten eine Erhaltung und Integration in den Bahnhof der neuen Nord-Südstadtbahn. Vielleicht hätte man, da die „Entdeckung“ im Vorfeld bekannt war, wie Reinarz sagte, ein pfiffige technische und ästhetiche Lösung denken sollen. Schade. Und wenn es am Geld scheitern sollte, warum sucht man keine Sponsoren für stadtgeschichtlich so wichtige Denkmäler? Immerhin verzeichnete die GEW zum Beispiel auch in diesem Jahr einen Rekordgewinn.


 


Unser Mann in der Kaffeebud bei Merzenich hatte seine ganz eigene Theorie, warum die Nord-Süd-Stadtbahn gebaut wird, denn so flüsterte er als stünde ein Geheimdienst hinter uns: „die Südstadt und der Bereich der Großmarkthallen soll das neue Chinatown von Köln werden und da braucht man eine U-Bahn“. Kreativ war der Kölner ja schon immer.


 


Kontext:


Kurzer Historischer Abriss >>>


Technische Daten >>>


 
– – – – – – – – – – – – – – – – – >>>



Buchempfehlung:


„Mit der U-Bahn in die Römerzeit“ von Carl Dietmar und Marcus Trier


Broschiert – Kiepenheuer & Witsch


Erscheinungsdatum: Mai 2005


ISBN: 3462035754
Das Buch ist im Internet bei amazon erhältlich, heute am 15.7 sind noch drei Bücher auf Lager