Kolářová und Stahl – Verfremdungen des Alltag
Seit den frühen 1960ern experimentierte die Prager Künstlerin Kolářová mit fotografischen
Techniken und ging damit weit über die Fotografie selbst hinaus. So produzierte sie etwa miniaturhafte Negative, indem sie natürliche Materialien wie Mohnsamen, Pfirsichkerne oder Bohnen in weiches Paraffin presste und sie bei der Belichtung des Fotopapiers unmittelbar als Negativ benutzte. Später entwickelte sie zunehmend Assemblagen, die in denen sie gefundene Materialien wieder verwertet: Haushaltsutensilien wie Druckknöpfe, Nähnadeln und Sicherheitsnadeln, Abfall aus Eierschalen und Kronkorken oder Werkzeuge und Metermaße. Dabei sortierte sie auch persönliche Dinge wie etwa Haare oder Make up zu konzeptionellen Rastern. In allen Jahren fertigte Kolářová dabei ganze Serien von ihren Bildern an. Mit dieser Technik wandte sie sich gegen den ästhetischen Kanon des sozialistischen Realismus und entwickelte einen ganz persönlichen Abdruck in der Wirklichkeit. Im vergangenen Jahr starb die Prager Künstlerin.

Die Schau im Kölnischen Kunstverein stellt den Arbeiten von Běla Kolářovás Arbeiten Werke von Lucie Stahl gegenüber. Präsentiert werden beide Künstlerinnen nebeneinander und durcheinander gemischt, wobei jedoch die Bilder von Kolářová als Serien erhalten bleiben. Auch Lucie Stahl arrangiert alltägliche Objekte wie Chips, Krawatten oder Magazine zu Collagen und entwickelte so ihren Abdruck. Dazu scannt sie die Gegenstände und gießt den daraus resultierenden Inkjet-Print wie ein distanziertes Objekt in Polyurethan ein. Ergänzt werden die Collagen durch kurze Texte von Stahl. Die schreibt sie bewusst auf Englisch, um eine Distanz zu sich persönlich herzustellen. Die Kommentare beziehen sich dabei nicht immer auf das Bild selbst, sie offenbart in ihnen vielmehr humorvolle Weise ihre subjektiven Beobachtungen gesellschaftlicher und politischer Ereignisse. Mancher Text gibt auch offen Einsicht in den Wettbewerb unter Künstlerkollegen oder die Hysterie, die der künstlerischen Produktion unterliegt.


Eine Spielzeug-Katze aus den 1990er Jahren: Wird die Katze berührt, beginnt sie zu miauen und sich zu bewegen


Archivprojekt: Das Versprechen einer heilen Welt
Im Obergeschoss der Brücke hat Claus Richter in der Reihe „Der springende Punkt“ eine ganze Ausstellung als Fantasiewelt errichtet. Gleich zu Beginn wird der Besucher dabei von einem kurzen Film begrüßt, der die Gäste mit dramatischer Filmmusik in das Reich der Träume entführt. In einem kurzen Rundgang wird der Besucher dann durch die Historie des Kinderspielzeugs geführt – von dem einfachen Brettspiel über sich bewegende Stofftiere und Fantasiewelten in Taschenformat bis hin zu Robotern. Gemein ist allen Spielzeugen seit den 1950er bis 1060ern Jahren, dass sie den Kindern eine heile, bessere Welt versprechen. Prototyp dieser Vorstellungen ist für Richter Michael Jackson mit seiner Neverland-Ranch und dem ewigen Versuch der Weltflucht.

Dabei will Richter selbst das Versprechen der Spielzeuge nicht verteufeln. „Ich bin selbst zwischen diesen Spielsachen aufgebaut“, berichtet der Künstler, der sich selbst als „fleißigen Konsumenten“ bezeichnet, das jedoch immer auch hinterfragt. Auffällig sei jedoch, dass heutige Motive im Gegensatz zu früher inzwischen alle Lebenswelten der Kinder erobern würden. So gäbe es heute nicht mehr nur Filme etwa von StarWars sondern eben auch Bettwäsche, Figuren, Poster oder Wanduhren.

Erinnerungsfahrt in eigene Kindheit
Zusammengestellt hat Richter all die Spielzeuge aus seiner eigenen Kindheit und seiner über Jahre aufgebauten Sammlung. Normalerweise baut der Künstler selbst Themenparks und Scheinwelten auf, die die Besucher betreten können. Einem ähnlichen Muster folgt nun auch die Schau im Kölnischen Kunstverein. Der Ausstellungsraum ist übervoll mit bunten, blinkenden, sprechenden und blinkenden Spielsachen. So gibt der Rundgang durch dieses Sammelsurium nicht nur Einblick in die Historie des Spielzeugs, sondern wird auch zu einer Erinnerungsfahrt in die eigene Kindheit.

Infobox
Běla Kolářová und Lucie Stahl
14. April bis 29. Mai 2011

Claus Richter – Archivprojekt
14. April bis 20. Mai 2011

Kölnischer Kunstverein
Die Brücke
Hahnenstr. 6
50667 Köln

Öffnungszeiten:
Di bis Fr: 13 bis 19 Uhr
Sa und So: 11 bis 18 Uhr

Eintritt: 4 Euro, erm. 2 Euro
Für Mitglieder ist der Eintritt frei

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