Wie sich die Finanzkrise auf die Filmbranche auswirkt, ist eines der Themen des Internationalen Filmkongresses. Weitere Themen: Bankenkredite für Filmproduktionen in Zeiten der Krise, das Kinopublikum der Zukunft, die Rolle der Drehbuchautoren und wie Filmemacher unabhängig in den USA und NRW produzieren können.

Acht prämierte Filme werden gezeigt
Die acht Filme, die gezeigt werden, sind alle mit Unterstützung aus NRW entstanden und haben schon Preise auf einigen der renommiertesten Filmfestivals gewonnen, in Berlin, Cannes oder Graz. Michael Schmid-Ospach, Geschäftsführer der Filmstiftung NRW, ist stolz und erklärt bei der Vorstellung des Kongresses 2009: „Wir haben uns dieses Jahr mit unserem Programm noch einmal gesteigert.“

Filme von Hans-Christian Schmid und Lars von Trier
Eröffnet wird der Filmkongress am 20. Juni mit dem neuen Film von Hans-Christian Schmid „Sturm“, der auf der diesjährigen Berlinale mehrfach ausgezeichnet wurde. Der politische Film handelt von einem Prozess am Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Außerdem erlebt der Film „Antichrist“ des dänischen Regisseurs Lars von Trier in Köln am 21. Juni seine Deutschlandpremiere. Dieser psychologische Thriller, in dem ein Elternpaar sich in eine einsame Waldhütte zurückziehen, um den Tod ihres Kindes zu überwinden, lief gerade erst beim Filmfestival in Cannes und hat dort sehr unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. „Zwei sehr starke Spielfilme,“ so Schmid-Ospach. „Solange es Filme mit guten Inhalten gibt, sehe ich keine Gefahr für das Kino,“ sagt er weiter. Der Geschäftsführer der Filmstiftung hält die Filmbranche für krisensicherer als viele anderen Branchen. 2008 gingen 800 Anträge auf Förderung bei der Filmstiftung ein, dieses Jahr seien es bisher 400, also kein Unterschied zum Vorjahr – trotz Finanzkrise. „Eine gute, klare Arbeit ist die beste Möglichkeit, sich gegen Seitenwinde zu wappnen,“ erklärt Schmid-Ospach.

Das ausführliche Programm:

Die KinoSpecials
Bereits am 19. Juni beginnt ab 21 Uhr das Warm-Up des Kongresses im Open-Air-Kino des Kölner Radstadions. Erica von Moellers "Fräulein Stinnes fährt um die Welt", dessen Marketingkonzept als Case Study bereits auf dem Internationalen Filmkongress des vergangenen Jahres vorgestellt wurde, erlebt sein Heimspiel. Produziert von der Kölner taglicht media erzählt die Kölnerin Erica von Moeller die Geschichte der Clärenore Stinnes (Sandra Hüller), die als erste Frau die Erde mit dem Auto umrundete.

Die offizielle Eröffnung des Internationalen Filmkongresses startet am 20. Juni um 19 Uhr im Kino Cinenova. Gezeigt wird Hans-Christian Schmids auf der Berlinale mehr­fach aus­gezeichnete Produktion "Sturm" über einen Prozess am Kriegsverbrecher­tribunal in Den Haag. Der Gerichtssaal wurde in einem Kölner Studio komplett nachgebaut. Der mit Kerry Fox, Anamaria Marinca und Stephen Dillane besetzte Film läuft in der englischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln und wird von Piffl Medien im September in die deutschen Kinos gebracht.

Am 21. Juni wird um 14 Uhr im Filmforum NRW der neue Spielfilm von Andreas Struck "Schläft ein Lied in allen Dingen" präsentiert. Der poetische Liebesfilm um einen Nu-Jazz-Trom­peter (Musik: Nils Petter Molvaer) wurde von der Neuen Mediopolis komplett in Köln und Umgebung realisiert. Außerdem wird der Filmstiftungs- und Tele 5-Nach­wuchsförderpreisträger zum Thema "Wir lieben Kino" präsentiert: der 89-sekündige "Flucht in Betten" von Johannes Disselhoff.

 Um 17:30 Uhr folgt am Sonntag im Cinenova die Premiere des Dokumentarfilms "Auf der Suche nach dem Gedächtnis". Petra Seeger erzählt die Lebensgeschichte des Nobelpreisträgers und bedeutenden Hirnforschers Eric Kandel, der die Zuschauer mit­nimmt auf eine faszinierende Reise ins Gedächtnis. Eric Kandel selbst wird aus New York erwartet, um der Premiere im Cinenova beizuwohnen. Die Produktion der Kölner Film­Form wird in einer deutsch untertitelten Originalfassung gezeigt und vom Kölner W-film am 25. Juni bundesweit in den Kinos gestartet.

Am Abend des 21. Juni schließlich hält im Cinenova ab 21 Uhr als Deutschlandpremiere "Antichrist" Einzug. Lars von Triers psychologischer Thriller über ein Elternpaar (gespielt von Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe), das in die Einsamkeit zurück gezogen das Trauma eines verlorenen Kindes zu verarbeiten sucht, lief jüngst im Wett­bewerb des Festival de Cannes. Die komplett in NRW entstandene europäische Koproduktion (dt. Produzentin: Bettina Brokemper) wurde dort äußerst kontrovers aufgenommen, leidenschaftlich diskutiert und schließlich durch die Auszeichnung von Charlotte Gainsbourg als beste Darstellerin hervorgehoben. MFA+ Filmdistribution bringt den Film ab 10. September in die Kinos.

Den Großen Preis der Diagonale in Graz, dem Festival des österreichischen Films, er­hielt in diesem Jahr der neue Film von Michael Glawogger. Und am Montag, 22. Juni, ist er ab 19 Uhr im Cinenova nun auch bei den KinoSpecials zu sehen: "Das Vater­spiel" nach dem gleichnamigen Roman von Josef Haslinger. Michael Glawogger und Hauptdarsteller Ulrich Tukur werden ihren Film, von der Kölner Tat­film produziert und zu Teilen in NRW entstanden, persönlich dem Filmkongress-Publikum vorstellen.

In eindrucksvollen Bildern beschreibt Olav F. Wehlings Debütfilm parabelhaft den Weg des modernen Menschen hin zu seinem archaischen Ursprung. "KRONOS. Ende und Anfang" heißt die Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg, deren Kameraarbeit durch Armin Franzen für den 19. Deutschen Kamerapreis Köln nominiert wurde. Die KinoSpecials präsentieren das Werk am 23. Juni um 19 Uhr im Filmforum NRW.

Einen Tag später, am 24. Juni, um 19 Uhr wird die Reihe KinoSpecials im Filmforum NRW mit großem Kino geschlossen: Die internationale Koproduktion "Die Kinder der Seidenstraße" von James-Bond-Regisseur Roger Spottiswoode erzählt im Gewand des historischen Abenteuerfilms von der Rettung von 60 Waisenkindern aus den Kriegsgefahren im China der späten 1930er Jahre. In den Hauptrollen der Koproduktion der Kölner zero west film­produktion mit dem sechsmaligen Oscar-Gewinner Arthur Cohn sind Jonathan Rhys Meyers, Chow Yun-fat und Michelle Yeoh zu sehen. 3Rosen bringt den Film Ende Juli ins Kino.

Die Panels
Am Montag, 22. Juni, beginnen die Podiumsdiskussionen ab 11:30 Uhr in der Koeln­messe, Rheinparkhalle (raum.vier) mit dem Panel "Unabhängig in den USA und in NRW". Nach der Begrüßung durch den Geschäftsführer der Filmstiftung NRW, Michael Schmid-Ospach, wird Regisseur Tom Tykwer, durch Produktionen wie "Lola rennt" oder "The International" erfahren in beiden Filmländern, mit einer Keynote ins Thema einführen. Anschließend werden unter der Moderation des Journalisten Scott Rox­bo­rough (The Hollywood Reporter) der Produzent Peter Herrmann (Desert Flower Filmproductions), Tom Tykwer sowie Michelle Byrd (IFP New York) und Verena Lueken (FAZ) über die jeweiligen Konzepte des unab­hängigen Films und mögliche Ko­operationen diskutieren. Das Panel findet in Kooperation mit dem IFP statt.

In Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Drehbuchautoren wird an­schließend ab 14 Uhr über das Thema "Drehbuchschreiben – Lust und Frust" de­battiert. Steht der stete Ausbau an Drehbuchförderung und die Entwicklung von Dreh­buchpreisen im richtigen Verhältnis zur Situation der Autoren? Und wie ist das "Interactive Writing" für den Berufsstand zu werten? Game Designer Dr. Michael Bhatty, Reinhold Elschot (der neue Leiter der Hauptredaktion Fernsehspiel/ stellvertretender Pro­grammdirektor ZDF), Roman- und Drehbuchautor Markus Stromiedel, Drehbuch­autorin Ruth Toma und Winka Wulff (GF Colonia Media) diskutieren unter der Mode­ration von Luzia Braun  ("aspekte", ZDF) über das Schreiben von Filmen, nach einer Keynote von Dominik Graf.

Eine abstrakt scheinende Frage stellt das dritte Podium am Montag ab 16 Uhr: "Wer genau ist das Publikum der Zukunft?" Antworten darauf ent­wickeln die Gäste Christian Gisy (Vorstand CinemaxX AG), Marianne Menze (GF Essener Filmkunst­theater), Christoph Ott (Head of Campaign NFP marketing & distribution) und Produzentin Uli Putz (Claussen, Wöbke und Putz). Moderiert von Journalist Peter Claus wird es nicht nur darum gehen, Wege zu finden, sich dem regelmäßigen Kino­gänger anzupassen, sondern auch um Ideen, ein gänzlich neues Kinopublikum zu gene­rieren – sei es durch die Errichtung von "Luxuskinos" oder aktuell die erneut versuchte Etablierung einer 3D-Kinokultur.

Am Dienstag, 23. Juni, beginnt der Kongresstag um 11 Uhr mit einem aktuellen Panel zur Situation der Filmfinanzierung. "Kredite trotz Krise: Filmfinanzierung unterm Bankenschirm" beschäftigt sich konkret mit der aktuellen Rolle der Banken in der Filmbranche und fragt nach möglichen Systemen und Finanzierungsmodellen. Moderiert von Dirk Dotzert diskutieren Andreas Brey (DZ BANK AG), Sylvie El Sayegh (Cofiloisirs S.A.), Produzent Christoph Friedel (Pandora Film) und Markus Röhle (NRW.Bank). Das in Kooperation mit dem film- und fernsehverband nrw statt­findende Panel stellt ebenfalls ein französisches Finanzierungsmodell vor.
Ein weiterer Aspekt der Filmfinanzierung, der zur Zeit nicht nur lebhaft diskutiert, sondern sogar rechtlich geprüft wird, steht ab 14 Uhr unter dem Titel "Vom Oberhau­sener Manifest bis nach Karlsruhe – Gefahren für die Filmförderung" im Fokus. Das Panel fragt nach der aktuellen Situation um die Abgabengerechtigkeit des Film­förderungsgesetzes. Nachdem das Leipziger Bundesverwaltungsgericht die bisherige Filmabgabe für verfassungswidrig einstufte, muss nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Aufgrund von Rückgriffen auf das "digitale Sparschwein" hat die Film­förderanstalt (FFA) zwar einen Haushaltsentwurf beschlossen, der ihre Fördertätigkeit zurzeit in nahezu vollem Umfang gewährleistet. Doch im nächsten Jahr sind diese Rücklagen aufgebraucht – was dann? Es diskutieren Peter Dinges (Vorstand FFA), der Rechtsanwalt Harro von Have (Unverzagt von Have), Steffen Kuchenreuther (Präsi­dent SPIO), Ralf Schilling (GF United Cinemas International), der Produzent Tom Spieß (Little Shark Entertainment) sowie Alexander Thies (Allianz Deutscher Produ­zenten Film & Fernsehen); der Kölner Journalist Frank Olbert moderiert.

 Die vielfältigen Serviceangebote der Filmländer Tirol und Dänemark stehen am 23. Juni ab 16 Uhr im Mittelpunkt, wenn sich die Film Commissions Cine Tirol und Oresund präsentieren. In Kooperation mit der MEDIA Antenne Düsseldorf werden neben Locations und Finanzierungsmöglichkeiten als besondere Zugabe auch kulinarische Spezialitäten der Regionen angeboten. Eine Fotoausstellung der Film Commission NRW begleitet das Angebot.

Zusätzliche Aktivitäten  
Am Montag, 22. Juni, um 12:45 Uhr wird Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers mit einem Grußwort die Projektpräsentation von "A Triangle Dialogue" in raum.drei der Rheinparkhalle einläuten. "A Triangle Dialogue" ist ein auf Initiative der Filmstiftung NRW entstandenes gemeinsames Dokumentarfilmprojekt der Andrzej Wajda Master School of Film Directing (Warschau), der Sam Spiegel Film and Television School (Jerusalem) und der ifs internationale filmschule köln. Die komplette Rolle "A Triangle Dialogue" wird um 21:30 Uhr im Cinenova gezeigt.

Die Filmstiftung NRW und PHOENIX zeichnen gemeinsam filmisch herausragende Arbeiten zum Thema "Wandel und Veränderung" mit einem Dokumentarfilm­preis und einem Förderpreis aus. Am Montag, 22. Juni um 15 Uhr findet die Ver­leihung mit der Jury-Vorsitzenden Monika Piel im Hyatt Regency Köln durch Michael Schmid-Ospach und Michael Hirz, Geschäftsführer von PHOENIX statt.

Am Abend des 23. Juni klingt der Internationale Filmkongress mit dem Branchentreff "moving nrw" traditionell aus – erstmals in der barocken Wolkenburg.

[sb; Foto: Rainer Sturm/www.pixelio.de]