Das Foto zeigt die Hochwasserlage im Landkreis Mansfeld-Südharz am 3. Januar 2024. | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Brücken-Hackpfüffel | Die Lage in den Hochwassergebieten in Deutschland bleibt weiter kritisch. Besonders betroffen sind neben Niedersachsen weiterhin der Süden von Sachsen-Anhalt und der Norden von Thüringen sowie teilweise Gebiete in Nordrhein-Westfalen. In Sachsen-Anhalt hatte zuletzt der Landkreis Mansfeld-Südharz Kräfte der Bundeswehr zur Hilfe angefordert, die Soldaten sollen die Einsatzkräfte vor Ort bei der Sandsackbefüllung und der Deichverteidigung unterstützen.

In einigen Orten wurde zudem die Schulpflicht am Donnerstag und Freitag ausgesetzt – die Schulen in den betroffenen Ortschaften Kelbra, Roßla und Wallhausen bleiben an diesen Tagen geschlossen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt unterdessen weiterhin vor Dauerregen, der noch bis Donnerstag anhalten könnte. In den betroffenen Gebieten werden aber nicht nur steigende Pegel, sondern auch durchweichte Deiche mit Sorge beobachtet.

Diese müssen mit Sandsäcken stabilisiert werden. In Niedersachsen sind die Reserven von Sandsäcken bereits ausgeschöpft, sodass Hilfe aus anderen Bundesländern nötig wurde. Aktuell sind dort zahlreiche Pegel weiterhin über der höchsten Meldestufe 3 – insbesondere betroffen sind aktuell die Einzugsgebiete der Aller, Leine und Oker sowie Hase und Hunte.

In den kommenden Tagen ist zudem im Oberlauf der Weser erneut mit einer Verschärfung der Hochwasserlage zu rechnen. Auch in Sachsen-Anhalt arbeiten die Einsatzkräfte derzeit daran, die Deiche zu verstärken und zu sichern. In Thüringen gehen die Behörden davon aus, dass die Wasserstände an den Pegeln ab Donnerstagmittag wieder langsam fallen werden.

Bundeswehr erwartet weitere Hilfsanfragen aus Hochwassergebieten 

Angesichts des Dauerregens über weiten Teilen Deutschlands rechnet das Territoriale Führungskommando (TFK) der Bundeswehr mit weiteren Hilfsanfragen von Behörden. Aktuell lägen keine Amtshilfeanträge aus anderen Bundesländern vor, man sei jedoch – nicht zuletzt aufgrund der Wetterlage – „auf weitere Unterstützungsanfragen eingestellt“, sagte ein Sprecher den Zeitungen der „Mediengruppe Bayern“. Am vergangenen Donnerstag hatte die niedersächsische Landesregierung ein Amtshilfeersuchen an das TFK gestellt.

Nach Angaben des Sprechers hält die Bundeswehr aktuell zehn Hubschrauber und rund 100 Soldaten für einen möglichen Einsatz in Bereitschaft. Beim Marinefliegergeschwader 5 in Nordholz an der Nordseeküste Niedersachsens stehen demnach zwei Hubschrauber des Typs Sea Lynx sowie jeweils ein Hubschrauber der Typen Sea King sowie NH-90 NTH Sea Lion bereit. Beim Transporthubschrauberregiment 10 des Heeres in Faßberg und am Internationalen Hubschrauberausbildungszentrum in Bückeburg (ebenfalls Niedersachsen) seien insgesamt vier NH-90 des Heeres für die Hochwasserhilfe einsatzbereit.

Zusätzlich befinden sich zwei CH-53 des Hubschraubergeschwaders 64 der Luftwaffe am Standort Holzdorf (Sachsen-Anhalt).

Neuer Ampel-Streit über Schuldenbremse wegen Hochwasser

Innerhalb der Ampelkoalition droht wegen der akuten Hochwasserlage in Deutschland ein neuer Streit über die Schuldenbremse. Während aus der SPD Forderungen nach einem Aussetzen des Mechanismus laut werden, lehnt die FDP dies ab. „Am Ende dieses Einsatzes werden wir im Bund gemeinsam mit den Ländern und Kommunen den Schaden bilanzieren müssen, der den Menschen vor Ort über die Feiertage und im neuen Jahr durch das Hochwasser entstanden ist“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

„Wenn finanzielle Hilfen des Bundes geboten sind, dann halte ich es für sinnvoll, die Schuldenbremse auszusetzen. Denn genau das sind die Notfälle, in denen die Verfassung ein Aussetzen der Schuldenbremse zulässt.“ Der FDP-Haushaltspolitiker Christoph Meyer sagte unterdessen dem Nachrichtenportal T-Online, dass es noch nicht absehbar sei, welche finanziellen Belastungen durch das Hochwasser für Länder und Bund entstehen.

„Jeder vorschnelle Ruf nach einem Aussetzen der Schuldenbremse ist unseriös. Ein Unwetterereignis oder eine Naturkatastrophe erfüllen nicht per se die Bedingungen des Grundgesetzes für ein Aussetzen der Schuldenbremse. Daher ist zurzeit nicht ersichtlich, dass die Schuldenbremse ausgesetzt werden muss.“

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums äußerte sich am Montag in Berlin zurückhaltend auf die Frage einer Aussetzung der Schuldenbremse: Es sei grundsätzlich möglich, dass der Bund finanziell unterstütze, wenn solche Katastrophen ein „Ausmaß von gesamtstaatlicher Tragweite annehmen“, wie das zum Beispiel im Ahrtal passiert sei; die Schäden seien in ihrer Gesamtheit aber noch gar nicht absehbar und deswegen sei das noch abzuwarten. Die CDU warnte davor, zum jetzigen Zeitpunkt eine Debatte über die Schuldenbremse wegen der Schäden durch das Hochwasser zu führen: „Allein schon aus Respekt vor den vielen Helfern in den betroffenen Hochwassergebieten sollten wir keine voreiligen Debatten vom Zaun brechen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, den Zeitungen der „Mediengruppe Bayern“. Bisher lägen noch keine seriösen Einschätzungen über das Ausmaß der Schäden vor.

„Bei jeder Gelegenheit jetzt die Aussetzung der Schuldenbremse ins Spiel zu bringen, erhöht nicht das Vertrauen in die Finanzpolitik der Ampel“, so Frei. Eine seriöse Haushalts- und Finanzpolitik sorge vielmehr auch für die Bewältigung von Unglücken vor. „Dafür braucht es nicht immer neue Schulden.“

Wiese hob derweil hervor, dass zugesagte finanzielle Hilfe aus dem Bund für Ausrüstung der Hilfsorganisationen in Deutschland trotz der angespannten Haushaltslage fließen müssten: „Die finanziellen Zusagen für diese Projekte dürfen trotz aktuellen Engpässen im Bundeshaushalt und den Sparkommissaren in der CDU nicht wanken“, sagte er den Funke-Zeitungen. Die Bundesregierung müsse „fortwährend die Ausrüstung und Ausstattung der Hilfsorganisationen wie THW und Deutsches Rotes Kreuz auf den neuesten Stand bringen“, sagte Fraktionsvize-Wiese, dazu gehörten etwa der weitere Bau von THW-Logistikzentren sowie die Betreuungsreserve für 5.000 Menschen in Not, die federführend das DRK bereits aufbaue.

Grüne offen für Aussetzen der Schuldenbremse wegen Hochwasser 

Die Grünen zeigen sich angesichts der Hochwasserlage in Deutschland offen für ein Aussetzen der Schuldenbremse. „Sicher ist, wir werden die Menschen in den Hochwassergebieten mit den Kosten nicht allein lassen“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch, dem Nachrichtenportal „T-Online“ am Mittwoch. „Um die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, ist selbstverständlich auch die Aussetzung der Schuldenbremse 2024 eine Option.“

Die Schäden ließen sich zwar noch nicht abschließend beziffern. „Die Lage in den Hochwassergebieten ist für viele Menschen dramatisch.“ THW, Caritas und tausende Freiwillige leisteten akute Hilfe.

„Ihnen gilt unser großer Dank für den Einsatz“, sagte Audretsch. Die niedersächsische Grünen-Bundestagsabgeordnete Karoline Otte hält weiteren finanziellen Spielraum ebenfalls für nötig. „Die akute Hochwasserlage und die Entwicklungen der letzten Woche haben unsere Schutzmaßnahmen stark ausgereizt, Investitionen sind notwendig“, sagte sie dem Nachrichtenportal.

Gleichzeitig entstünden weiterhin Schäden, die beseitigt werden müssten. „Hierfür ist die Aussetzung der Schuldenbremse sicherlich ein richtiger Vorschlag. Durch ihn würden wir wichtige Spielräume im ohnehin zu eng geplanten Haushalt gewinnen.“

Otte verwies zugleich auf langfristige Notwendigkeiten. „Extremwetterereignisse wie das aktuelle Hochwasser werden zunehmen. Um Gefahren zu vermeiden, braucht es dauerhaft mehr Investitionen vor Ort“, sagte Otte.

„Eine grundsätzliche Debatte über die Schuldenbremse bleibt daher notwendig.“ Es brauche Finanzinstrumente, die die wiederkehrenden Schäden der Klimakrise langfristig kompensieren und Bürger schützen könnten, so Otte. Wie aus dem aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) hervorgeht, nimmt die Zahl der Extremwetterereignisse umso stärker zu, je weiter die menschengemachte Erderhitzung voranschreitet.