Düsseldorf | Für das umstrittene Beschneidungs-Urteil des Kölner Landgerichts gibt es weitere Rückendeckung aus der Medizin. Die Beschneidung der Vorhaut von Jungen im Säuglings- oder Kindesalter sei für die Betroffenen ein Trauma mit möglichen dauerhaften psychischen und körperlichen Langzeitfolgen, sagte der Vizedirektor des Klinischen Instituts für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität Düsseldorf, Matthias Franz.

Franz sprach sich grundsätzlich gegen Beschneidungen aus. „Es gibt dafür keine medizinischen Begründungen.“ Vor dem Hintergrund des Urteils rechnet er mit vermehrten Schadenersatzprozessen beschnittener Männer nicht nur gegen Ärzte, sondern auch gegen Eltern, die den Eingriff bewilligten.

In dem Urteil hatte das Gericht die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen als eine Körperverletzung und damit als Straftat gewertet. Diese richterliche Entscheidung hatten der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie muslimische Verbände scharf als Eingriff in die Religionsfreiheit kritisiert. In der jüdischen Tradition werden Jungen schon im Alter von acht Tagen beschnitten, muslimische Jungen im fünften bis achten Lebensjahr. Nach Schätzung der Universität Düsseldorf sind weltweit etwa ein Drittel der Männer beschnitten. In Deutschland seien es zwischen 15 und 20 Prozent.

Debatte mit zweierlei Maß

Franz warnte davor, die Beschneidung mit zweierlei Maß zu messen. Während über die Verurteilung der Beschneidung von Mädchen und Frauen Einigkeit bestehe, würden bei dem Eingriff an Säuglingen und Jungen „beide Ohren zugehalten“. Der Mediziner sprach von einem „erheblichen Wahrnehmungsausfall“ in der Debatte. „Es besteht keine Sensibilität für den Zusammenhang zwischen dem Eingriff und späteren psychotraumatischen Folgen“.

Der Mediziner wies darauf hin, dass die Beschneidung aus vorgeschichtlicher Zeit stamme und dann in bestimmte Religionen übernommen worden sei. Hinter dem Eingriff stehe nicht zuletzt die Stabilisierung von Machtstrukturen: „Der kleine Junge, der ja in keiner Weise an der Schwelle zum Mannesalter steht, wird zum Mann erklärt, eigentlich aber von Erwachsenen manipuliert“, so Franz. Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie hatte das Ende Juni verkündete Urteil begrüßt mit der Begründung, damit werde das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes unterstrichen.

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Autor: dapd