Köln/Düsseldorf | Das NRW-Innenministerium hat heute seinen Verfassungsschutzbericht 2014 vorgelegt. Die Sicherheitslage in Nordrhein-Westfalen hat sich laut Bericht vor allem durch zwei extremistische Bestrebungen verschärft: Der gewaltbereite Salafismus hat weiter an Zulauf gewonnen und Rechtsextremisten unterwanderten die Bewegungen von HoGeSa und Pegida. So gehen laut Bericht 175 der rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikte allein aus dem Umfeld der eskalierten HoGeSa Demo in Köln.

„Deswegen haben die Sicherheitsbehörden besonders die Gefahren durch gewaltbereite Salafisten und Rechtsextremisten im Blick“, so NRW-Innenminister Ralf Jäger heute in Düsseldorf bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2014. Durch die grausamen Anschläge in Paris und Kopenhagen habe die Bedrohung durch gewaltbereite Islamisten eine neue Dimension erreicht, so Jäger in einer Presseerklärung zum Verfassungsschutzbericht. Wenige Terroristen hätten ihre Opfer gezielt ausgesucht und mit leicht zu beschaffenden Waffen ein Blutbad angerichtet. Das Risikopotenzial der Personen, von denen eine solche Anschlagsgefahr ausgehe, nehme kontinuierlich zu, so Jäger. Darauf habe man reagiert und bei Polizei und Verfassungsschutz 385 neue Stellen geschaffen.

NRW-Verfassungsschutz zählt 2.000 Salafismus-Anhänger

Die Zahl der vom Verfassungsschutz dem extremistischen Salafismus zugeordneten Anhänger ist in NRW aktuell auf 2.000 gestiegen. Ende des vergangenen Jahres lag sie noch bei 1.900. „Der Salafismus ist europaweit die am schnellsten wachsende extremistische Bestrebung“, so Innenminister Jäger. In NRW haben die Sicherheitsbehörden vor allem die 325 gewaltbereiten Salafisten im Visier. Die salafistische Szene missbrauche den Bürgerkrieg in Syrien und Irak, um junge Menschen zu radikalisieren und dazu zu bewegen, sich an Kampfhandlungen in den Krisengebieten zu beteiligen, so das Ministerium. Mehr als 180 Personen seihen seit 2012 aus NRW in Richtung der Krisengebiete ausgereist. Es gebeallerdings auch positive Signale, so das Ministerium. Seit Beginn dieses Jahres sei die Zahl der Ausreisen aus Nordrhein-Westfalen deutlich rückläufig.

Der Innenminister setzt auf eine stärkere Sensibilisierung und Aufklärung vor allem junger Menschen. Prävention ist ein Schwerpunkt in der Auseinandersetzung mit dem salafistischen Extremismus. „Genau hier wirkt unser Präventionsprogramm. Mit „Wegweiser“ sind wir auf dem richtigen Weg. Die hohe Nachfrage an allen vier bisherigen Standorten zeigt: Das Konzept hat sich voll bewährt“, sagte der Innenminister und kündigte an, das Präventionsprogramm weiter auszubauen: In diesem Jahr sind weitere Anlaufstellen in Duisburg, Dinslaken, Köln und Dortmund geplant.

Aussteigerprogramm für Salafisten gestartet

Außerdem hat der NRW-Verfassungsschutz im Oktober 2014 ein Aussteigerprogramm für Islamisten gestartet. Schon nach wenigen Monaten zeigt sich, wie wichtig dieses Angebot ist. Es richtet sich an diejenigen, die bereits radikalisiert und tief in der islamistischen Szene verankert sind.

Auch die Entwicklungen im Bereich von Rechtsextremisten nehme der NRW-Verfassungsschutz ernst, so das Innenministerium. Es gebe immer wieder Anhaltspunkte für klar rechtsterroristisch-orientierte Gruppen, die oftmals auch konspirativ agierten und eine deutliche Gewaltbereitschaft gegenüber ihren Feindbildern hätten, so das Ministerium. Hier sei konsequentes Handeln der Sicherheitsbehörden gefordert, so Jäger, wie sie es erfolgreich bei der „Old School Society“ getan hätten. „Denn diese Rechtsterroristen sind bereit, rücksichtlos Gewalt für ihre menschenverachtenden Ziele einzusetzen“, wird Jäger zitiert.

Anstieg der rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikte

Zudem gibt es laut NRW-Innenministerium „einen harten Kern des Rechtsextremismus, der innerhalb rechtsextremistischer Parteien wie Pro NRW, NPD oder „Die Rechte“ organisiert ist“. Nach der Kommunalwahl 2014 versuchten diese durch Provokationen die Arbeit der kommunalen Gremien, in denen sie sitzen, zu stören, so das Ministerium. „Dabei überschreiten sie oftmals die Grenze des Erträglichen. Hier sitzen Ideologen und Strippenzieher des Rechtsextremismus, die Stimmung machen gegen Muslime, Ausländer und Flüchtlinge“, so Jäger in der Pressemitteilung zum Verfassungsschutzbericht.

Rechtsgutachten zu möglichem Verbotsverfahren der Partei „Die Rechte“

„Wo immer möglich, werden wir versuchen, sie durch Verbote zu lähmen. Deshalb gehen wir mit allen zur Verfügung stehenden rechtstaatlichen Mittel gegen sie vor“, erläutert der Innenminister. Die Sicherheitsbehörden sammeln laut Ministerium alle Belege für ein mögliches Verbot der sogenannten Partei „Die Rechte“. Jäger gab bekannt, er habe ein neues Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Dieses soll klären, welcher Weg zu einem Verbotsverfahren vielversprechend sei.

Alleine 175 Straftaten durch HoGeSa Demo in Köln

Der Verfassungsschutz beobachtet auch Unterstützer und Mitläufer in der rechtsextremistischen Szene. Sie bilden das Umfeld und geben als Statisten die Kulisse bei Demonstrationen abgeben. Von dieser Szene gehe häufig Gewalt aus, auch gegen Flüchtlingsunterkünfte. Mit HoGeSa und PEGIDA hätten sich im vergangenen Jahr neuartige Phänomene herauskristallisiert, so das Innenministerium. Ein Schlaglicht werfe der deutliche Anstieg der rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikte auf 370 (2013: 192). Dies sei vor allem auf die gewalttätigen Ausschreitungen am 26. Oktober 2014 in Köln zurückzuführen. Alleine 175 Straftaten stammten aus dem Umfeld dieser HoGeSa Demonstration, so das Ministerium.

Die Veranstaltungen der PEGIDA-Ableger und -Nachahmer in NRW wurden laut Ministerium von Rechtsextremisten organisiert, dominiert und gesteuert. Damit versuchten diese, ihre ausländerfeindliche Hetze, Islamfeindschaft und Vorurteile gegen Flüchtlinge für ihre Propaganda zu nutzen. „Diese Saat ist in NRW nicht aufgegangen. Die vielen Gegendemonstrationen und ganze Stadtgesellschaften, die sich geschlossen für Toleranz und Offenheit einsetzen, haben es geschafft, dass PEGIDA, BOGIDA, KÖGIDA und DÜGIDA die Lust am Spazierengehen vergangen ist“, so NRW-Innenminister Jäger.

FDP NRW – Lürbke: Innenminister Jäger liefert Flickschusterei bei Prävention und Terrorismusbekämpfung

Zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts erklärt der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Marc Lürbke: „Innenminister Jäger schuldet dem Landtag immer noch das Konzept zur Salafismusbekämpfung, das er im vergangenen Herbst angekündigt hat. Von dem notwendigen koordinierten Vorgehen aller staatlichen Ebenen kann derzeit keine Rede sein. Es fehlen Handlungsleitfäden für die Kommunen, Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe, wie salafistische Propaganda wirksam verhindert werden kann. In den Institutionen stehen auch nicht in ausreichender Anzahl speziell zu diesem Thema geschulte Ansprechpartner zur Verfügung. Das nur in vier Städten präsente Projekt Wegweiser ist in seiner derzeitigen Ausgestaltung nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine flächendeckende Salafismusprävention ist derzeit in Nordrhein-Westfalen nicht existent und kann noch nicht einmal als „im Aufbau befindlich“ bezeichnet werden.

Selbst in seinem ureigenen Kerngeschäft, der Terrorismusbekämpfung, liefere der Innenminister nur „Flickschusterei“ ab, so die FDP NRW. Erst als der Anschlag auf Charlie Hebdo der Öffentlichkeit die Bedrohungslage bildlich vor Augen geführt habe, habe der Minister gehandelt. Im „Hoppla-Hopp-Verfahren“ seien 385 Polizisten zusätzlich zur Terrorismusbekämpfung abgestellt worden, so die FDP. Man vermisse weiterhin einen planmäßigen Aufbau von Kompetenzen bei den Sicherheitsdiensten, die der veränderten Sicherheitslage angemessen seien. Anstatt einer erkennbaren Strategie folgend die entsprechenden Strukturen aufzubauen, „hechele“ Innenminister Jäger „nur planlos den Ereignissen hinterher“.
 

Autor: dd