Der Kopf-Fotograf

Wenn man ins Komed am Mediapark kommt, findet man die Arbeiten von Julius Brodkorb direkt geradeaus am Pförtner vorbei. Da steht ein Modell eines Koffers, der nur so weit aufgebaut ist, wie der Künstler es für sein Foto benötigt. Hinter der Wand auf der die gezeichneten Skizzen zu Szenerien zu sehnen sind ist er dann photographische Realität, der Koffer ist für uns ein Koffer und kein Modell, aus dem Koffer quellen Haare und er ist so geschickt inszeniert, das er für uns zur Realität auf dem Photo wird, ohne dass wir diese auch nur anzweifeln würden. Irritiert sind wir nur durch die surreale Zugabe, die hervorquellenden Haare. Ähnliches passiert uns bei einer Straßenszene, drei Autos vor einer typisch kleindeutschen Häuserfassade, zwar wirken die Häuser und vor allem die Straßenbeleuchtung ein wenig unbekannt, aber die Szene ist für unser so leicht zu täuschendes Auge dennoch so realistisch, dass wir imaginieren das ist real oder so gut montiert, dass wir dann nur irritiert sind über die Maschine die im unteren Bereich die Fassade aufbricht.



Der Künstler Julius Brodkorb vor dem Foto mit dem Koffer, unten das für das Foto verwandte Koffermodell

Brodkorb arbeitet nach einem strengen Schema, er ist inspiriert, skizziert grob und erarbeitet dann ein Modell, masstäblich richtig eine Szenerie, die in seinem Kopf entsteht. Die kann abstrahierter sein, wie ein riesiger weißer Turm, kann aber auch realistisch sein, wie die Straßenszene. Dieser Prozess und das Bauen des Modells kann wie im Falle der Straßenszene dann ein Jahr dauern. Dann fotografiert er dieses Modell analog mit einer Großformatkamera um die größtmögliche Auflösung zu bekommen und zeigt uns ein Bild. Sehen wir im ersten Blick auf die Fotografie suchen wir eine Story im Bild. Da sind drei Autos, zwei geparkt, einer fährt,bremst. Eine uns unbekannte Maschine bricht eine Hausfront auf. Es ist früher Abend oder Morgen, Zwielicht, die Straßenbeleuchtung brennt noch. Die Straßenlaterne irritiert mit den aktuellen Automodellen am meisten, denn sie sieht nicht aus, wie aus dem Katalog aus dem der übliche deutsche Stadtplaner auswählt.

Die so gestalteten Fotografien sind absolut clean und führen uns in eine Kulturlandschaft, die im Kopf von Julius Brodkorb entstanden ist. Mit dem offenlegen dieses Entstehungsprozess und der surrealen Überhöhung, schafft es Brodkorb unsere Wahrnehmung und ihre intelektuelle Rezeption visuell zu sensibilisieren. Nach dem Besuch des Raumes sehen wir kritischer auf die uns umgebende Realität, die zum größten Teil Kulturlandschaft ist und im Kopf eines Architekten, Landschaftsarchitekten, Unternehmers, Verwaltungsbeamten, Königs oder Politikers entstanden ist. Dabei wird das surreale Element, anders als bei den Malern wie Ernst oder Marguerite in der Fotografie von Brodkorb nicht zum kreativen Selbstzweck, dass unsere Kreativität nur beflügeln soll, sondern vielmehr zu dem Denkanstoss, die Realität zu hinterfragen. Konsequent und richtig ist dabei, dass Brodkorb keine Versatzstücke aus der Realität digital einmontiert sondern seine Kopfwelten als Modelle unabhängig gestaltet und nur diese uns präsentiert, denn nur so wird er zum alleinigen Schöpfer seiner eigenen Realität, in dem ihn umgebenden evolutionären Prozess aus beeinflusster und sich frei entwickelnder Realität. Dabei gelingt es Brodkorb uns zu mahnen mit scharfem Blick auf die Bilder und Abbilder zu sehen und den Prozeß, auch den Schöpfungsprozeß dahinter wahrzunehmen.


Fotokünstler Daido Moriyama nachdenklich bei der Presse-Preview mit Kamera

Der leidenschaftliche Fotograf
Geht man dann weiter in den ersten Stock kommt man zur Ausstellung von Daido Moriyama. Daido Moriyama, 69 Jahre jung, gilt als einer der besten japanischen Fotokünstler. Die gezeigte Retrospektive zeigt über 350 fotografische Arbeiten. Sie sind alle Schwarz-Weiß, teilweise grobkörnig, die Lichter reißen aus, dann zeigen sie wieder ein klares Bild oder verschwimmen in Unschärfe. Es sind Bilder die ungebremst und voller Leidenschaft entstanden sind, aber die auch die Leidenschaft Leben in Metropolen zeigen. Falsch wäre es, sie als Schnappschüsse zu bezeichnen, denn die Arbeiten von Daido Moriyama durchlaufen viele Stadien der Konzeption und der visuellen Willensbildung, auch wenn viele der Szenen wie zufällig auf Streifzügen des Künstlers enstanden erscheinen. Daido Moriyama setzt sich ein Thema und erarbeitet dieses, er findet die Bilder in der Großstadt im Theater, das muss nicht immer Tokyo sein, das kann auch New York sein, es kann auch Buenos Aires sein. Moriyama inszeniert nicht die Realität, er sieht sie, er dokumentiert sie zunächst. Moriyama ist schnell getaktet wenn es darum geht in der Realität den gestalteten Ausschnitt zu finden. Inszeniert wird in der Dunkelkammer. Hier wird aus dem Rohmaterial der fokussiertere Ausschnitt, der Hinweis auf das richtige Detail, auf die Körpersprache der Menschen, denen Moriyama zufällig begegnet,ihre Hoffnungslosigkeit, ihre Gleichgültigkeit, genauso wie ihr Lachen, ihr Glück und alles ungeschmickt beobachtet. Ein auf den einen vom Fotokünstler festgelegten Moment reduzierter Roadmovie.


"Japan. A Theater Photo Album" [1968], frühe Arbeiten von Daido Moriyama

Wir kommen den Menschen nahe in den Bildern von Moriyama und doch auch wieder nicht, da sitzt in Serie Shinjuku ein junges Paar auf dem Trottoir, die Beine in der Fahrbahn, die Frau dreht uns den Rücken zu, sie trägt einen Rock oder ein Kleid, es ist eine Nachtszene, er dreht uns den Kopf zu, trägt eine Sonnenbrille, um die beiden herum Wohlstandsmetropolen-Nachtmüll, links schläft ein Mann auf der Straße, rechts sitzt ein weiterer auf der Straße, die Lichter der Beleuchtung, der Imbissbude dahinter ausgefressen. Eine Szene die in New York spielen kann, in Paris oder in Tokyo. Es ist globales Nachtleben, wir fragen uns über was spricht das Paar? Das Szene ist Schwarz-Weiß und wirkt dadurch für uns zeitlos und konzentriert. Moriyama hat viel Respekt vor den Menschen, er ist stiller Beobachter, er ist nicht der Fotograf der die Menschen animiert irgendetwas zu tun, er sammelt, er zeigt sie wie sie sich verhalten und gerade dadurch ist er ihnen so nah und hält uns gleichzeitig den Spiegel vor und fordert uns auf auch genauer hinzusehen. Moriyamas Arbeit berührt direkt ohne große Worte, die der Kunsthistoriker wirken daher auch schal und konstruiert im Umfeld der Fotografien. Moriyama forscht mit den Augen und der Kamera, forscht nach Formen, nutzt grafische Formen, zeigt psychologische Porträts der modernen Gesellschaft, wie der Mensch sich in ihr bewegt, wie er sie beeinflußt, wie er sie zerstört, wie er sie schöner macht, sich selbst. Ungeschminckt. Daido Moriyama spricht dann von seinen Fotos auch von Dokumenten und er sagt es ist simpel. Simpel aber nur für den Sehenden und Genialen.

Die Ausstellung ist absoult sehenswert, nicht nur weil sie uns einen Blick in die japanische Kulturwelt und das Werk eines der großen avantgardistischen Künstler der sechziger Jahre des lezten Jahruhunderts bietet, sondern weil sie auch zeigt wie global die Welt schon lange ist, wie das System der Globalisierung und die Übernahme von kulturellen Identitäten die eigene Kultur verdrängt und zur Folklore verkommen lässt. Das funktioniert vor allem aus einem Grund, dadurch dass alle Fotos von damals bis heute Schwarz-Weiß sind. Beginnt man in der Ausstellung mit dem Zyklus "Japan.A Theater Photo Album", der 1968 entstand und steht man dann vor dem "Shinjuku 2000-2004" Arbeiten, dann spürt man die Nivellierung in der globalen Welt ganz deutlich, der sich heute oftmals nur noch in den grafischen Umsetzungen der Typografie manifestiert und früher an Kultur, Moden, Kleidung, Ausdruck, Physiognomie manifestierte. Das scheint immer mehr verloren zu gehen. Der moderne von globalen Modemarken bestückte Metropolenbewohner wird immer weniger unterscheidbar auf seinem Weg mit der Marken-Bag oder dem Rucksack zur Metro.

Die Retrospektive von Daido Moriyamas Werk ist in Kooperation mit dem Centro Andaluz de Arte Contemporáneo, Sevilla und der Taka Ishii Gallery, Tokio entstanden. Sie zeigt dreizehn, vorwiegend auf vintage-Material beruhende Bildreihen und eine Filmpräsentation. Die Reihen wurden von Daido Mariyma zusammengestellt: "Pantomime" [1965], "Actor Shimzu Isama" [1967], "Japan. A Theater Photo Album" [1968], "Marine Accident" [1969], "Smash up" [1969], "Provoke" [no.2 und 3, 1969], "New York" [1971], "Hunter" [1971], "Farewell Photography" [1979], "Light and Shadow" [1981/82], "Daido Hysteric" [1993] und Shinjuko [2000-2004].

"Eine Photographie ist das Resultat eines augenblicklichen Gedankens, so dass man immer experimentiert und die Gebäude und Straßen einer Stadt interpretiert, indem man das Gerät zur Reproduktion – die Kamera – benutzt, um jenseits bekannter Sprachen zu gelangen und gegen den unaufhörlichen Fluss der Zeit eine andere Wirklichkeit zu entfalten. Ist dies erreicht, so übersteigt das in der Photographie eingefangene Bild die begrenzte Imagination oder das Ego des Photographen und wird zum Symbol, das eine Welt bedeutet und die Erinnerung der Zeit mit einschließt.", beschreib Daido Moriyama seine Arbeit anlässlich einer Ausstellung 2003 im Schimane Art Museum, Japan. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Es werden Führungen durch die Ausstellung angeboten. Begeleitend wird vom Japaniscehn Kulturinstitut eine Filmreihe angeboten.
Informationen zu den Begleitprogrammen finden sich unter:
www.photographie-sk-kultur.de und www.jki.de

Ausstellungsräume geöffnet täglich außer Mittwoch: 14 bis 19 Uhr
Eintritt: 4,50 €, ermäßigt 2,00 € und Montags freier Eintritt.
Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur
Im Mediapark 7
50670 Köln

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung