Eine Partie Badminton auf der Bühne, ein Zaubertrick und ein paar provokative Unterbrechungen halten das Publikum wach. Dazu immer wieder Musik und Gesang: Die Veranstaltung in der Orangerie ist von einer offenen Struktur geprägt und lässt sich auf klassische Zuschauererwartungen nicht ein.

Karl Valentin: Ein Sprach-Anarchist – unter anderem…
Der Einfluss, den der Kabarettist und Komiker Karl Valentin (1882 – 1948) auf seine Zeit ausgeübt hat, ist nur schwer zu überschätzen. Das surrealistische Theater von Ionesco bis Beckett kommt ohne ihn nicht aus. Als Komiker Baltasar Hierl portraitierte Lion Feuchtwanger das bayrische Original in seinem Roman „Erfolg“. Und Valentins Zusammenarbeit mit Bertholt Brecht führte 1922 zu einer gemeinsamen Parodie von Brechts Stück „Trommeln in der Nacht“.

Expressionismus, Surrealismus und episches Theater sollten aber nicht die ersten Begriffe sein, mit denen man das Werk Valentins verbindet. In erster Linie geht es darin nicht um intellektuelle Beschäftigung, sondern um Unterhaltung und oft recht derbe Komik. Auch hier ist die Wirkung nachhaltig gewesen: Früher konnte man seine absurde Kunst bei Loriot wiederfinden und heute zeigen sich Elemente beispielsweise bei Helge Schneider. Wie es scheint, lässt sich mittlerweile fast überall etwas von ihm entdecken.

Spiel mit Peinlichkeiten im Flair der zwanziger Jahre
Das dreiköpfige Ensemble war bei der Premiere im Orangerie-Theater motiviert und hatte sichtbar Spaß an der Sache. Vor allem Martin Schurr schien ganz in seinem Element zu sein. Er überzeugte in seiner Darstellung durch eine Annäherung an den ursprünglichen Stil Valentins. Die Figur des dürren Geigenvirtuosen kam der eigenartigen physischen Erscheinung des Komikers auch optisch ziemlich nahe. Durchaus traditionsbewusst verhielt sich auch der Rest von Stefan Rogges Inszenierung: Die Kostüme der Darsteller vermittelten ein wenig das Flair der zwanziger Jahre. Süddeutscher Dialekt war hin und wieder zu vernehmen, spielte aber keine herausragende Rolle. Und das bekannte Lied „Wenn ich einmal der Herrgott wär“ wurde mit neuem Soundgewand vorgetragen. Daneben waren allerdings auch aktuelle Bezüge vorhanden,  was sich natürlich gerade in Andeutungen zu den Themen „Wirtschaft“ und „Krise“ niederschlug. Eine Talk-Runde, bei der die Fachidiotie betont ernsthaft totalen Nonsens vortragen darf, muss leider als beängstigend realistisch bezeichnet werden.

Ein wichtiger Bestandteil der Komik Valentins ist das Spiel mit Peinlichkeiten, mit katastrophalen Situationen auf der Bühne und vor Publikum. Am Samstagabend ließ sich das vielleicht am Besten bei der letzten Nummer mit dem Titel „Das virtuose Geigensolo“ beobachten.

Bierpause kurz vor dem Federballspiel
Dass es neben einer Partie Badminton auch eine Bierpause für den Schauspieler auf der Bühne gab, dass man tatsächlich eine Flasche Wein gewinnen konnte – vorausgesetzt man hat vorher richtig gewettet – das alles gehörte zum Programm an diesem Abend. Zuweilen musste man sich fragen: Wo hört das Einstudierte auf und wo fängt die Improvisation an? Diese leichte Unsicherheit gab der Bühnenperformance ihren ganz eigenen Charme.

Angesichts der Struktur der Vorlagen, aber auch durch die Bearbeitung von Stefan Rogge muss sich der Zuschauer auf Überraschungen einstellen, was natürlich dem Werk Karl Valentins entspricht. Mit der Bezeichnung „Groteske“ ist jedenfalls die Veranstaltung ziemlich passend beschrieben. Der Abend war unterhaltsam, überraschend, vielleicht ein wenig kurz, in jedem Fall aber kurzweilig.

Infobox
Valentin, Karl – eine Deutsche Sache
Orangerie-Theater im Volksgarten
Volksgartenstraße 25, 50677 Köln

mit: Claudia Braubach, Martin Schurr, Andreas Debatin,
Regie: Stefan Rogge
Musik: Andreas Debatin
Choreographie: Claudia Braubach, Martin Schurr

Edgar Naporra für report-k.de / Kölns Internetzeitung