Christoph Mohr: Sie sind in Köln geboren und aufgewachsen und leben und arbeiten seit Ihrem Studium in London auch wieder in Köln. Wie wichtig ist es für Sie, in Ihrer Heimatstadt auszustellen?
Alexandra Bircken: Köln ist nicht meine Heimatstadt. Mit 3 Jahren hab ich das Bündelchen geschnürt und habe meine Eltern ins Schwäbische mitgenommen, um bei Mauser Erfahrung im Umgang mit Schießeisen zu sammeln. Danach ging es zunächst nach Remscheid,  London und Paris, bevor ich 99 nach Köln zurückkehrte. Heimat in Bezug auf Köln ist also eher der Shop von den zwei Jungs auf dem Mauritiuswall.

Alle gehen nach Berlin, Sie bleiben in Köln. Wie sehen Sie die Kölner Kunstszene?  
Berlin, was denn? Der Mittelpunkt der Welt? Das ist dann doch eher das Rheinland. Die Römer haben das ja auch gewusst und als Kulturnation den Limes als deutliches Zeichen der Abgrenzung gesetzt. Mal im Ernst. Kann Kunst nur noch in Berlin stattfinden? Man bekommt ja langsam diesen Quatsch von Seiten mitgeteilt, von denen man es nie erwartet hätte.

Sie haben am berühmten Central Saint Martins College in London Modedesign studiert. Wie wichtig ist Ihnen Mode heute?
Na ja … man riecht ja immer tiefer in etwas rein und dann stinkt es bisweilen. Das ist in der Kunst aber gar nicht so anders. Drum herum ist knallharte Ökonomie, der man sich zu unterwerfen hat. Die Kunst tut so, als wäre das anders. Mittlerweile leuchten auch dort diverse Stoppschilder auf. Im einen wie im anderen Fall gilt, daß die Verschiedenheit der Betätigungen häufig von der Tautologie der Nettoergebnisse kompromittiert wird.

Wie kamen Sie denn überhaupt von der Mode zur Kunst?
(Die Galeristen) Jörn Bötnagel und Yvonne Quirmbach liefen immer an meinem Atelierfenster vorbei und schauten, was ich dort so machte. Die beiden haben etwas mehr gesehen,  und daß es sich eventuell um so etwas wie Kunst  handeln könnte, oder aber auf dem Weg zur Kunst hin wäre. Definiert war da eigentlich noch nichts, aber es gab viel Vertrauen, so dass sie mir 2004 eine Ausstellung anboten,  ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, auf was sie sich da einließen.

Können/Wollen Sie in ein paar Sätzen sagen, was Sie als Künstlerin bewegt/umtreibt, was Sie in Ihrer künstlerischen Arbeit zu erreichen versuchen?
Können / Wollen ist gut … eben dass  die Kunst nicht vom Können, jedoch eher vom Wollen, oder dem Wollenden der Wolle käme … ? Wolllüstig (mit 3 L) halt …

In Ihrer Arbeit verwenden Sie bevorzugt "banale" Alltagsmaterialien. Kunsthistorisch ist das eine Vorgehensweise, die man vielleicht mit der italienische "Arte Povera" verbinden würde, Künstler wie Fontana oder Kounellis, die Ende der 60er Jahre für ihre Installationen erstmals alltägliche Materialien wie Holz, Bindfäden etc. verwandten, bei der Verwendung von Textilmaterialien denkt man unweigerlich an Beuys (Filz).  Sind das Künstler, die Sie inspiriert haben oder denen Sie sich verbunden fühlen?
Alltägliche Materialien werden bereits seit dem Beginn der Moderne benutzt. In Picassos Bildern sieht man Aschenbecher, Zeitungen, Gitarren etc., also nichts  Spektakuläres sondern Alltagsgegenstände. Die Arte Povera bezieht sich schlicht auf die Klassik und auf das dazugehörige Menschenbild. Fäden, Holz, Filz etc. tauchen schon bei Burri auf, an dem sich dann die Pop Artisten, wie z.B. Robert Rauschenberg orientierten. Mit den "armen Materialien" ist das so eine Sache. Gerade bei Kounellis wird etwas anderes im Mittelpunkt der Arte Povera deutlich, und das ist die klassische Idee des Menschen und den Archetypen seiner Umgebung. Das Konstituierende eines Tischs, eines Stuhls, der Kohle, des Feuers, der Pferde; das ist eine Welt der Gegenständlichkeit, die zurück schreibt, in denjenigen,  der sie schafft.

Ihre Objekte und Installationen bestehen aus Wolle, Seilen, Kleidungsstücken ja sogar Ästen, Haaren, allerlei anderen
Können (Wollen…???) Sie den künstlerischen Prozess beschreiben, wie Sie von der Idee zum Ergebnis gelangen?
Geht nicht. Solche Suchbewegungen lassen sich nachträglich konstruieren. Das ist nicht mein Problem.

Ihre Arbeiten sind sicherlich nicht gerade kunstmarktgängig. Wie schwierig war es für sie, sich als freie Künstlerin, die von ihrer Kunst leben muss, zu etablieren?
Die Frage stelle ich mir nicht. Ich arbeite. Ob kunstmarktgängig entscheidet sich irgendwo anders. Bekanntermaßen im Bermudazweieck des Kunstbetriebs und hier in erster Linie bei den Sammlern, die bei der Kunst nicht den gleichen Wertverfall, wie bei anderen Anlageformen erwarten.

In London werden auch einige Ihrer Arbeiten permanent in der Saatchi Gallery (www.saatchi-gallery.co.uk) gezeigt, eine der einflussreichsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst. Wie wichtig war /ist das für Ihre internationale Anerkennung als Künstlerin?  
Wußte ich nicht. Wußte, daß sie gekauft haben, allerdings dachte ich, daß es in der Kiste ruht.

Zurück nach Köln. Mit dem Kölnischen Kunstverein, der diese Ausstellung durchführt, verbindet Sie auch ein Atelierstipendium im Jahre 2004. Wie wichtig war das für Ihre Karriere?  
Hilfreich.  

Ihre Ausstellung im Kölnischen Kunstverein trägt den Titel "Blondie". Das ist natürlich unter Marketinggesichtspunkten nicht dumm, und auch das attraktive Ausstellungsplakat wird den einen oder anderen Besucher in den Kunstverein ziehen. Aber ist der Titel nicht doch ein bisschen eine Mogelpackung? Außer dass Sie hier und da blonde Haare in ihre Objekte einbauen, scheint das nicht wirklich die tragende Leitidee einer Ausstellung, die doch auch "Aktuelle Arbeiten" hätte heißen können.  BITTE ERLÄUTERN
Blondi hieß übrigens auch Hitlers Schäferhündin. Unter marketingtechnischen Gesichtspunkten war das auch nicht dumm. Ja, natürlich eine Mogelpackung. Sie haben es erkannt. Genau darauf verweist ja die Skulptur mit Marias Tönung auf dem Sockel. Es wäre dann an Ihnen eine Ausstellung mit dem Titel "BITTE ERLÄUTERN" obendrein noch in Versalien, wie sie das ja hier vorschlagen, zu machen. Ich wäre sehr gespannt.

Einmal konkret: In der Ausstellung finden sich auch vier Arbeiten mit blondem Echthaar, das in unterschiedlicher Länge an einem Ski hängt. Was will uns das sagen?
Was will uns das sagen? Das Ski oder sci oder so (hab es vergessen) kommt ja ursprünglich indogermanischen Ursprungs vom Schneiden. Na, und Haare kann man ja auch schneiden. Übrigens findet sich die Wurzel auch bei Science und bei der Scheiße. Das Objekt ist tatsächlich erstaunlich geschwätzig. Das greift dann in die nächste Frage über, die sich hiermit beantwortet.

Der  Flyer der Ausstellung behauptet, Ihre Arbeiten stellten einen "narrativen Mikrokosmos" dar?Ist das wirklich so? Wollen Sie wirklich mit Ihren Objekten Geschichten erzählen?
Auch Künstler dürfen Wünsche haben: Was würden Sie sich von einem Besucher Ihrer Ausstellung wünschen? Jede Zeichenkette hat unendlich viele Interpretationen (Oswald Wiener macht frei).

Ausstellung Alexandra Bircken: Blondie
22.04.-06.06.2010
Öffnungszeiten Ausstellung:
Dienstag – Freitag 13 – 19 Uhr
Samstag und Sonntag 11 – 18 Uhr

Kölnischer Kunstverein – Die Brücke
Hahnenstraße 6
50667 Köln
Tel.: 0221/217021

Im Internet:
Kölnischer Kunstverein

Galerie BQ

Saatchi Gallery London 
 
Central Saint Martins College, London 
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Christoph Mohr; Foto: Henriette Hohm