Das Symbolbild zeigt einen Krankenhausflur

Köln | Es gibt jetzt ein Schwarzbuch Krankenhaus. Zusammengetragen von den Beschäftigten der sechs Unikliniken in NRW. Es ist ein bedrückendes Dokument mit Geschichten vom Sterben, sexueller Belästigung und Alarmen wo keiner kommt.

„Als ich die Station betrete, läuten über den ganzen Flur Alarme, Monitore, Perfusoren und Infusomaten. Das Telefon klingelt unaufhörlich. Meine Kolleg:innen sind in den Zimmern und kümmern sich um ihre Patient:innen, auf dem Flur befindet sich niemand.“, berichtet eine Krankenschwester mitten aus der Zeit der Covid-19-Pandemie mit dem Titel „Wenn nichts mehr hilft“. Auch in dieser Dokumentation wird gestorben.

Da werden Menschen im OP über einen langen Zeitraum reanimiert, damit der OP nicht geschlossen werden muss bis die Kriminalpolizei kommt. In der Covid-19-Pandemie mussten Auszubildende durchs Fenster einem 92-jährigen Patienten beim Sterben zusehen. Eine weibliche Auszubildende berichtet von sexuellen Übergriffen und dass sie trotz anzüglicher Bemerkungen einen Mann beim Duschen begleiten musste.

Im Kreissaal musste ein Patientin zu ihrem eigenen Kaiserschnitt laufen und dieser wurde nicht einmal gereinigt. Eine Hebamme bringt fünf Kinder in einer Nacht alleine auf die Welt und in einem anderen Bericht wird geschildert, dass es zu wenig Kreissäle gab für vier Frauen in den Wehen. Oder in der Notaufnahme, wenn Pflegekräfte alleine vor Ort sind oder in der Nacht zwei Etagen alleine betreuen müssen.

Die Berichte und Dokumente schildern Einzelschicksale in erschreckender Art und Weise. Nur eines muss klar sein: Jede und jeder von uns könnte genau in eine solche Situation kommen, wenn wir krank werden, einen Notfall erleiden. Denn jeder Fall ist ein Einzelschicksal, dem die die Pflegen, die nötige Aufmerksamkeit und Sorge entgegenbringen wollen.

Die Berichte wurden heute in der Kölner Angneskirche von den Betroffenen vor über 600 Streikenden sowie Vertreter:innen aus Politik und Medien vorgetragen. „In Deutschlands Krankenhäusern kommen täglich Patient:innen aufgrund von Unterbesetzung zu Schaden. Ich bin seit 30 Jahren im Beruf. In all den Jahren habe ich erlebt, wie wir immer weniger wurden und das Wohl unserer Patient:innen immer zweitrangiger. In all den Jahren haben wir geschwiegen, aber damit ist jetzt Schluss!“, erklärt Andreas Schumann, Intensivpflegekraft an der Uniklinik Bonn.

„Was uns Streikende eint, ist die moralische Verpflichtung gegenüber den uns anvertrauten Patient:innen und Schutzbefohlenen. Deshalb haben wir Petitionen gestartet, demonstriert, sind als letztes Mittel in den Streik gegangen und wenden uns jetzt mit diesen Berichten an die Öffentlichkeit“, so Kevin Karakus, Krankenpfleger in der Onkologie am Uniklinikum Köln. „Die Politik und Klinikleitungen lassen uns mit diesen traumatischen und gefährlichen Situationen weiter im Stich. Das muss sich sofort ändern.“

Zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und der Versorgung der Patient:innen haben die Klinikbeschäftigten am 21. Januar 2022 die Arbeitgeber und Landespolitik zu Verhandlungen für einen Tarifvertrag Entlastung aufgefordert. Darin fordern sie eine schichtgenaue Sollbesetzung, einen Belastungsausgleich und bessere Ausbildungsbedingungen.

Elisabeth Auge, Servicekraft an der Uniklinik Münster, fasst zusammen: „Diese Berichte machen deutlich: Ein gutes Personal- Patienten-Verhältnis kann über Leben oder Tod entscheiden. Deshalb fordern wir gute schichtgenaue Regelungen für alle Bereiche im Krankenhaus und einen Belastungsausgleich, wenn diese unterschritten werden. Außerdem ist Krankenhaus Teamarbeit. Nur, wenn sich in allen Bereichen etwas ändert, können wir unsere Patient:innen besser versorgen. Und das ist es ja, worum es uns am Ende geht.“

red01