Die Aktion "Herbstlicht"

Die erste Station ist an der Neusser Str.. Die Polizei kontrolliert schon seit mehreren Stunden Fahrzeuge. Schwerpunkt der Kontrolle ist neben allgemeiner Verkehrskontrolle, zielgerichtet Wohnungseinbrüche in der dunklen Jahreszeit zu verhindern. Denn das ist die beste Zeit für Langfinger, sie und ihre Nachbarn sind shoppen es ist früh dunkel und die Wohnungen leer. Und die will man heute finden, aber auch Präsenz zeigen.

Aber beginnen wir von vorne, wir treffen die vier Männer und eine Frau in der Unterkunft des THW Köln Nord., dem Katastrophenschutzzentrum in der Robert-Perthel-Str. Ein riesengroßer blauer LKW mit einem Notstromaggregat hinten dran. Das Aggregat war übrigens erst vor kurzem im Münsterland eingesetzt, sie erinnern sich die umgeknickten Weichstahlmasten des Stromriesen RWE. Auch da waren die Helfer des Kölner THW im Einsatz. (report-K.de berichtete >>>) Wir steigen hinten ein, Stative und ganz viel technisches Gerät liegen schon im Fond des LKW. Meike Binroth, eine hübsche junge Frau, ja auch wir waren überrascht, hatten doch eher mit raubeinigen bärtigen Männern mit von Wind und Wetter gegerbten Gesichtern gerechnet, steigt ein. Ok, falsche Schublade. Das sei vorweg genommen, ganz viele Schubladen bewahrheiteten sich an diesem Tag nicht. 8-10 % Frauenanteil gibt es beim THW Ortsverband Köln-Nord-West. Michael Kretz der Pressesprecher bestätigt, das man sich auch sehr über weibliche Bewerberinnen freut.


Meike Binroth

Frauen willkommen

Natürlich zielt unsere erste Frage darauf ab, warum man als Frau in einen Männerclub wie das THW geht. "Als Ausgleich zum Bürojob", sagt Meike Binroth, "und ich interessiere mich für Technik, leider habe ich keinen technischen Job bekommen". Tierpflegerin oder Schreinerin wollte die 24 jährige Meike Binroth werden. "Aber dafür fehlten mir die körperlichen Voraussetzungen". Jetzt ist sie in der Bergungsgruppe und langt kräftig mit zu, wenn es darum geht Lichtmasten aufzustellen, das Stromaggregat vom LKW abzukuppeln und aufzustellen, schwere Kabeltrommeln durch die Gegend zu schleppen.

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Der Weg zum THW

"Ich habe damals einfach angerufen, die Leute vom THW waren unheimlich nett, haben mich eingeladen und drei Tage später habe ich meine Grundausbildung begonnen", sagt Meike Binroth. Wir wollen natürlich wissen ob Meike nicht Angst vor den schweren Geräten hat, wie Trennschleifer und Riesenbohrhammer. Meike Binroth lacht "Angst nein, Respekt ja. Aber gerade das Bohren macht mir unheimlich Spaß da bin ich besser als die Jungs und ich passe durch kleine Löcher, wenn man mal wirklich jemand Verschütteten retten muss". Da hat sie recht. Ihre Freundinnen finden das positiv, das Meike sich in unförmige mehrlagige Klamotten zwängt. "Ich glaube die haben manchmal auch ein schlechtes Gewissen, wenn sie mich sehen, weil sie ja nichts tun" sagt Meike.

 
Andreas Kirsch und Einsatzleiter Michael Esch bringen den Powermoon in Stellung


Der Powermoon strahlt

Teamplayer alle zusammen

Wir sind mittlerweile angekommen, viele Polizeibeamte kontrollieren eine Menge Autos, es ist noch hell, man kennt sich, winkt sich zu. Dann geht alles ganz schnell, runter vom LKW, Aggregat abgekoppelt, man ist ein eingespieltes Team, jeder Handgriff sitzt. Alle hier sind Teamplayer. Das muss man beim THW auch sein. Anders geht es nicht, alle Aufgaben brauchen, vor allem damit es, wenn es mal drauf ankommt schnell geht, viele Helfer und die hier verstehen sich blind. Da wird in Windeseile der Powermoon aufgestellt. Und der macht auch bei den Kontrollierten Eindruck. Einer der Polizeibeamten, der die Autos herauswinkt eilt herbei will den Namen wissen, denn alle Autofahrer fragen was das denn für ein UFO sei. 

Notstromaggregat 50 KVA in wenigen Minuten einsatzbereit. Wolfgang Dreßler fährt den Lichtmasten aus und "schaltet die Sonne an", wie einer der Polizeibeamten witzelt.

 
Andreas Kirsch spannt die Sicherungsleine des Powermoon

Der Dr. beim THW

Und hier wird unsere zweite Schublade aufgebrochen. Wir treffen auf Kraftfahrer Dr. Andreas Kirsch, ein promovierter Agrarökonom, der heute in der Abfallwirtschaft arbeitet. Damit haben wir nicht gerechnet, eher mit Handwerkern. "Ich bin beim THW weil ich Spaß haben wollte, Spaß mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten. Ich habe viel hier mitgenommen, auch für mein späteres Berufsleben", sagt Kirsch, beobachtet dabei die Polizei und versucht herauszufinden nach welchem Schema die wohl vorgehen. Aber es gibt noch einen zweiten Aspekt, der Kirsch gefällt. "Es ist die Vielfalt. Du arbeitest mit ganz vielen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Status oder Können zusammen.", "ich glaube ich habe den blauen Virus", sagts und lacht dabei. Seinen Sohn will er jetzt in die Jugendgruppe gehen lassen, wenn er zehn ist. "Technisch und strategisch ist es interessant Szenarien durchzuspielen, die für uns selbstverständlich sind", sagt Kirsch. "Aber zum Beispiel jetzt in Münster da ging kein Handy mehr. Erst als die Kollegen wieder Strom in einen Straßenzug einspeisten lief auch das Handynetz dort wieder. Ohne den altmodischen Funk wäre man verloren gewesen und das obwohl man heute fast alles via Handy macht, sogar alarmiert wird mit SMS, oder hätte man wie in alten Zeiten Melder loschicken müssen". Wir nehmen viel zu viel als selbstverständlich hin.

Ehrenamt flexibel

Aber Kirsch zeigt auch einen Weg auf, der vielleicht ein richtiger Weg ist in die Zukunft von Job und Ehrenamt. Den alle THW Helfer machen das ehrenamtlich. "Das Ehrenamt muss mit Familie und Beruf in Einklang zu bringen sein". Viele Helfer mit einer soliden Grundausbildung haben einen guten Grundstock auf dem man ein flexibles Ehrenamt aufbauen kann. Hier sagt auch Pressesprecher Michael Kretz, das es wunderbar ist, das sich immer mehr Menschen für das THW interessieren und zwar nicht mehr nur allein weil man die Zeit für den Zivildienst und die Bundeswehr sparen will. * Ganz im Gegenteil: die vielen positiven Berichte über das THW, New Orleans, der Tsunami, brächten Zulauf. Und es ist doch legitim das zum Beispiel ein Helfer in einem Jahr sehr engagiert dabei ist, sogar Auslandseinsätze macht und halt im nächsten Jahr weniger, weil er beruflich stark eingespannt ist. Und wenn genügend Helfer da sind, funktioniert auch eine so flexible Organisation hervorragend. Wir finden das ist ein sehr spannender Ansatz für eine Gesellschaft, ein flexibles Modell des Ehrenamtes.

Kirsch zieht aber auch nach 20 Jahren, Meike Binroth schon nach einem Jahr, ein positives Resumee: "Mein ehrenamtliches Engagement hat einen hohen Stellenwert und Ansehen, gerade auch bei den Freunden" – da kommt es vor das einen die Freunde fragen "Wie wars beim Weltjugendtag – man bekommt einen Einblick in Dinge, wie man sie sonst so nicht erlebt hätte."


Nach 10 Jahren Pause zurück: Wolfgang Dreßler

"Ein Kind gerettet" – in Algerien

Wolfgang Dreßler ist auch einer derjenigen die schon ganz lange dem THW die Stange halten. Auch wenn er wegen der großen Liebe mal zwischendurch über 10 Jahre pausiert hatte. Seit 1973 ist er dabei. 1980 war er in Algerien beim großen Erdbeben eingesetzt. Und das würde der Gärtner, der bei der Stadt Köln arbeitet, auch heute sofort wieder tun. Am Samstag bekam ich den Anruf, Sonntag zum Arzt impfen, am Montag morgen Abflug nach Algerien. Die junge Frau und seine heutige Gattin fand das damals gar nicht prickelnd. Aber Dreßler hat keine Sekunde gezögert. "Wat mut dat mut". Und das schönste Erlebnis war, nach drei Tagen gelang es seinem Bergungstrupp einen fünfjährigen Jungen aus den Trümmern eines Gebäudes zu ziehen. So etwas vergisst man nie wieder., ein "Supergefühl" sagt Dreßler auch heute noch sofort nach über 20 Jahren und seinen Augen sieht man es auch deutlich an. Psychologische Betreuung gab es damals noch nicht. Zwei Tage Pause – dann wieder zur Arbeit. Heute ist das anders, da werden die Helfer nach so schwierigen Einsätzen betreut sagt Michael Kretz.


Kontrolle beendet meldet die Polizei und sammelt ihre Hütchen ein. Jetzt heisst es erst einmal abbauen. Pause. Die Polizei wird an diesem Abend an einem zweiten Platz kontrollieren und da muss dann noch einmal alles ausgeräumt und aufgebaut werden und dann warten. Aber erst einmal gibt’s was zu essen auf der Polizeiwache.

Noch rasen die Autos an den Kölner THW Helfern und der Polizei vorbei

Neugierige Nachbarn

Stockfinster ist es, eine ruhige Wohngegend, bessere Lage wie der Mietspiegel es beschreiben würde. Die ersten Polizeibeamten sind vor Ort räumen ihre Hütchen und Warnlampen aus. Der erste Nachbar drückt sich die Nase platt, was ist hier los. Keine drei Minuten vergehen, der 50 KVA brummelt vor sich hin, die vier Scheinwerfer fluten die Straße mit Licht. Meike Binroth schleppt die schwere Kabeltrommel zu Ihren Kollegen Andreas Kirsch, Wolfgang Dreßler, dem THW Einsatzleiter Michael Esch und Markus Schulze. Gleich leuchtet auch der Powermoon, mittlerweile sind alle Nachbarn mindestens einmal da gewesen und haben gefragt was denn passiert ist. Die Polizei beginnt mit den Kontrollen. Ein Wagen mit zwei jungen Männern herausgewunken, nach kurzer Kontrolle dürfen Sie weiterfahren. Die Stimmung bei den THW Helfern ist gut, nur ein bischen kalt ist es in dieser Nacht und keiner weiß wie lange es heute dauert. Polizeihauptwachmeister Howot, der den Einsatz der Kölner Polizei leitet ist zufrieden mit der Arbeit der THW´ler, "die sind gut, auf die kannst Du dich 100% verlassen".

Gruppenfoto mit Dame

Es ist erstaunlich wie viel motivierte Menschen bewegen können. Diese drei Stunden mit den Kölner THW Helfern zeigt auf ganz einfache Art und Weise, ohne auch gleich das große Danke zu fordern, das man mit Engagement viel für alle, aber auch für sich selbst leisten, erleben und tun kann. Vielleicht ist das auch der Grund warum dieses Jahr auch das THW mit einem Bambi ausgezeichnet wurde. Völlig unverständlich ist es allerdings, das wieder zuletzt bei den Koalitionsgesprächen in Berlin immer wieder Forderungen aufgestellt wurden das THW zu schliessen. Ganz das Gegenteil sollte gerade aus der politischen Ecke kommen, Respekt vor den vielen Stunden die hier Menschen für Menschen und nicht zuletzt für den Staat auf und einbringen. Berechnet man nur allein die Helferstunden der 76.000 deutschen Helfer, also die 120 Stunden im Jahr die jeder einzelne Helfer leisten muss und würde man diesen Menschen 20 Euro bezahlen dann kommt man auf die stolze Summe von über 18 Millionen Euro. Manchmal muss man nur rechnen können, wenn man schon sonst nicht richtig hinsieht.

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Die Fotostory zum Ausleuchten der "Herbstlicht-Aktion der Kölner Polizei" +++ Ehrenamtliches Engagement der THW Helfer wird geehrt mit einem Bambi in München +++ Hintergrund: Das ist das Technische Hilfswerk und so werde ich Helfer / plus alle Infos und Links zum Kölner THW +++ Das Kölner THW in Münster: Einsatz beim Schneechaos 2005 in NRW +++ Das Technische Hilfswerk auf dem Marienfeld beim Weltjugendtag 2005 +++

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* Wer sich für 6 Jahre im Katastrophenschutz verpflichtet, dazu gehört auch das THW wird von der Bundeswehr und dem Zivildienst freigestellt.

Andi Goral für report-K.de / Kölns Internetzeitung