Köln | Jedes vierte Handwerksunternehmen in Köln wird derzeit von einem über 50 Jahre alten Chef geführt und muss in den kommenden zehn bis 15 Jahren einen Wechsel in der Betriebsführung vollziehen, so die Einschätzung der Handwerkskammer zu Köln. Da das oft eine emotionale wie auch finanzielle Herausforderung darstelle, bietet die Kölner Kammer daher all ihren Mitgliedern eine kostenfreie Unternehmensberatung mit Betriebsvermittlungsdienst, um bei einer Betriebsübergabe unterstützend zu wirken. Eine Online-Betriebsbörse soll dabei Existenzgründer und veräußerungswillige Betriebsinhaber zusammenführen. Über diese Plattform hat auch der aus Sri Lanka stammende Kölner Bäckermeister Somasundaram Balamohan mit Unterstützung der Unternehmensberatung der Kammer eine Bäckerei in Köln-Neuehrenfeld übernommen.

Im Alter von 23 Jahren war Balamohan, damals 23, vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka nach Deutschland geflohen. Da sein Abschluss zum Elektroingenieur in Deutschland nicht anerkannt wurde und seine damaligen Sprachkenntnisse nicht ausreichten, um in Deutschland zu studieren, entschloss er sich für eine Bäckerlehre. Nach seinen erfolgreichen Weiterbildungen zum Bäcker- und zum Konditormeister machte er sich schließlich im Jahre 2007 selbständig. Durch Vermittlung der Betriebsbörse der Kölner Handwerkskammer, die auch beim Erstellen eines Businessplans für Geldgeber half, übernahm er die seit 80 Jahren im Kölner Stadtteil Neuehrenfeld ansässige Bäckerei Mülder mit sechs Angestellten, schaffte sämtliche Großmaschinen in der Backstube neu an. Für das kommende Frühjahr plant Balamohan die Eröffnung zweier Zweigstellen in Bilderstöckchen und Lindenthal. Da auch er zu der Gruppe der über-50-jährigen Geschäftsführer zählt, möchte er – vorausschauend – durch diese Expansion sein Geschäft attraktiver machen. Eventuell bleibt der Betrieb später auch in Familienhand: Seine Tochter, gerade mit dem Abitur fertig, überlege sich gerade, eine Karriere als Konditormeisterin einzuschlagen, so Balamohan.

Betriebsvergrößerungen sowie stetige Erneuerungen seien wichtig, so Dirk Hecking, Leiter der kaufmännischen Unternehmensberatung der Handwerkskammer zu Köln, um den Wert des Betriebes hoch zu halten und vor einer geplanten Übergabe „die Braut zu schmücken“, also die Firma attraktiver zu machen. Dies sei angesichts eines Überangebots an Übergabewilligen im Vergleich zu Existenzgründern auch nötig. Auch zu langes Zögern kann laut Hecking fatale Folgen für den alternden Betriebsinhaber haben. Um eine optimale Übergabe gewährleisten zu können, müsste man idealerweise eine Vorlaufzeit von zehn Jahren einplanen. Für jedes verstrichene Jahr innerhalb dieser Vorlaufzeit, in dem man die Nachfolge nicht regle, riskiere man als Chef eines Handwerksbetriebs im schlimmsten Fall einen Wertverlust des Unternehmens von bis zu zehn Prozent, so Hecking. Selbst wenn der Nachfolger aus der eigenen Familie oder auch der eigenen Firma komme, appelliert Hecking an alle Betriebsinhaber, die das fünfzigste Lebensjahr überschritten haben, sich frühzeitig mit der Nachfolge zu befassen.

Rund die Hälfte aller Betriebsübergaben im Kölner Handwerk würden über die 1984 ins Leben gerufene Unternehmensberatung der Handwerkskammer abgewickelt, so Stephanie Bargfrede, stellvertretende Geschäftsführerin der Kammer. Dabei umfasse der Service neben der Beratung zur Finanzierung der Übergabe auch Unterstützen bei der Erstellung eines Businessplans und mache auf mögliche Förderungen durch die öffentliche Hand aufmerksam.

Autor: Daniel Deininger
Foto: Dirk Hecking, Somasundaram Balamohan, Stephanie Bargfrede (vlnr.)