Die Preise werden am 24. Oktober 2010 um 11 Uhr im Kölner Rathaus verliehen. Anna Katharina Hahn wurde 1970 in Ruit geboren und lebt in Stuttgart. Sie debütiert im Jahr 2000 mit dem Erzählungsband Sommerloch (Achilla Presse), der bereits die Themen vorgibt, welche sie später weiterentwickelt. Er zeigt, wie präzise sie Milieus, Einrichtungen und Verhaltensweisen beobachtet, wie sicher sie den Ton sehr verschiedener Verhältnisse und Individuen
trifft. Die ganz verschiedenen Icherzähler/-innen dieser „spöttischen bis bitterbösen Miniaturen aus dem deutschen Großstadtalltag“ (taz) verraten ahnungslos die Abgründe, die sie in sich haben und über denen sie schweben. Es ist dies eine Kunst, die an Edgar Allan Poe und William Thackeray denken lässt.

Vier Jahre später erscheinen weitere Erzählungen bei Suhrkamp (Kavaliersdelikt), in denen der Blick der Erzählerin vielleicht nicht ganz so düster ist. Aber die kunstvoll arrangierte, verstörende und zugleich überaus realistische, plausible Welt der Anna Katharina Hahn mutiert auch durch komische und skurrile Momente oder einen – immer doppelbödigen – Humor nicht zu einer freundlichen. 2009 erscheint dann ihr erster Roman Kürzere Tage, ebenfalls bei Suhrkamp. Dramatisch werden hier einige parallele, sich überschneidende Welten beschrieben, die alle explodieren und keinen Protagonisten unbeschädigt zurücklassen.

Wie sie „vom verrottenden, verwahnenden Mittelstand erzählt und vom Elend der Integration, von den verzweifelnden Träumen der Jungen und dem Verenden von Lebensläufen, wie zärtlich und böse und genau zugleich sie in die Hirne hineinsieht von Supermüttern, Missbrauchten und Vereinsamten, das ist schon atemberaubend!“ schreibt die ‚Literarische Welt’. Dieser Roman ist zugleich aber mehr als eine Milieustudie, es ist spannende, mitreißende, überzeugend dichte Prosa.
— — —
Heinrich Steinfest wurde 1961 in Australien geboren. Er ist Österreicher und lebt in Stuttgart. Gerade eben hat er den elften Roman bei seinem Hausverlag Piper vorgelegt: Batmans Schönheit. Chengs letzter Fall, an dessen Ende der Protagonist „begreift, dass er nicht der ist, der er zu sein meint.“

Seine Romane setzen sich in einer sehr prägnanten und oft skurrilen Sprache mit dem Bösen und seiner Genese auseinander. Nur auf den ersten Blick sind sie Kriminalromane. Auch dass in seinem vorletzten Roman Gewitter über Pluto Außerirdische auftreten, macht diesen nicht zu Science Fiction. Steinfest ist ein Meister des ausgefallenen Plots, aber auch der Metapher und noch mehr der Anrede des Lesers. Diese kleidet sich sehr oft in amüsante Vergleiche und philosophische Ausführungen, welche nur geringe Berührungspunkte mit dem Thema haben.

Obwohl sie die Entwicklung der Handlung manchmal unterbrechen, sind sie unverzichtbar und üben einen ganz speziellen Reiz auf den Leser aus. Die erzählerische Dichte und atmosphärische Ummantelung sind dem Prosawerk Musils und noch mehr Doderers eher verwandt als
dem Chandlers oder Christies, auch wenn Mord ein unverzichtbarer Bestandteil des Plots ist.

Aber auch Johann Nestroy und Karl Kraus haben den Stil Steinfests beeinflusst. Er schreibt über die Welt, wie er sie sieht, und er erledigt diese Aufgabe spannend, skurril und witzig. Natürlich sind seine Protagonisten selten ‚normal’, aber anormal sind sie auch nicht. Dass ein Privatdetektiv einarmig ist und weder schießen noch kämpfen kann, dass ein des Geschäftes müder Pornodarsteller einen Laden für Handarbeitsbedarf eröffnet, oder dass jemand in seinem Pool einem Haiangriff zum Opfer fällt, mag nicht direkt einleuchten, aber die Welt des Heinrich Steinfest ist in sich geschlossen und logisch. Philosophierende Kriminalisten hat es immer schon gegeben, aber philosophierende Killer gibt es nur bei Heinrich Steinfest. Er ist der Meister spannender Prosa an der Grenze zwischen Absurdität und Komik.

Der Heimito von Doderer-Literaturpreis wurde 1996, zum 100. Geburtstag des Dichters, gestiftet und erstmals verliehen, bis 2002 jährlich, seitdem zweijährlich. Er wird vergeben für ein hervorragendes Einzel- oder Gesamtwerk aus dem deutschen Sprachraum, das sich durch hohe Sprachsensibilität und -originalität in der Tradition des großen österreichischen Autors auszeichnet. Bisherige Preisträger waren Ror Wolf, Peter Waterhouse, Urs Widmer, Martin Mosebach, Walter Kempowski, Galsan Tschinag, Gerhard Polt, Anne Weber und Felicitas Hoppe, Daniel Kehlmann und Jenny Erpenbeck.
Förder- und Sonderpreise werden fallweise verliehen.

Bisherige Förder- und Sonderpreisträger waren Stephan Wackwitz, Thomas Meinecke, Kathrin Schmidt und Franz-Josef Czernin, Werner Fritsch, Doran Rabinovic und Erika Fuchs, Marica Bodrocic, Kerstin Mlyncek und Sasa Stanisic.

[ag]