report-k.de: Herr Kronauer, sie beschäftigen sich schon länger mit dem rechten Parteienspektrum in Europa und dem europäischen Parlament. Welche Rolle spielen die rechten Parteien im europäischen Parlament und wer sind die Keyplayer?
Jörg Kronauer: Im Moment spielen die Rechtsaußen-Parteien im Europaparlament noch keine allzu große Rolle. Sie haben im Moment nicht einmal eine eigene Fraktion, weil sie die erforderliche Zahl von 20 Abgeordneten nicht zusammenbekommen. Die ehemalige "Fraktion Identität, Tradition, Souveränität", der unter anderem drei Abgeordnete des belgischen Vlaams Belang, sieben Mitglieder des französischen Front National sowie ein Parlamentarier von der FPÖ angehörten, ist im November 2007 zerbrochen. Damals traten fünf Mitglieder der Groß-Rumänien-Partei aus, weil sie es leid waren, dass ihre Fraktionskollegin Alessandra Mussolini aus Italien die Rumänen andauernd rassistisch beleidigte. Zu den Keyplayern gehören Frank Vanhecke und Koenraad Dillen vom Vlaams Belang, Andreas Mölzer von der FPÖ sowie Jean-Marie Le Pen und Bruno Gollnisch vom Front National. Sie gehören den drei Parteien an, die auch beim Kongress von "Pro Köln" an diesem Wochenende eine größere Rolle spielen. Das sind sicherlich auch die wichtigsten Rechtsaußen-Parteien im Europaparlament, sieht man einmal von den italienischen Parteien Lega Nord und Alleanza Nazionale ab, die ja in Rom an der Regierung beteiligt sind.

Trotz ihrer eher geringen Bedeutung für die Gesamt-Aktivitäten des Europaparlaments profitieren die Abgeordneten der Rechtsaußen-Parteien natürlich sehr von ihren Mandaten. Wer im Parlament sitzt, bekommt Abgeordnetenbezüge, hat ein Büro, beschäftigt Mitarbeiter – und das sind nur die materiellen Vorteile. Im Europaparlament knüpft man Kontakte, hat die Möglichkeit zu politischer Intervention, kann Anfragen an die Kommission stellen, Erklärungen abgeben. Vor allem erhält man auch aus allererster Hand wichtige Auskünfte, die sonst nicht so leicht zugänglich sind: Informationen über den Stand politischer Debatten oder auch Sachinformationen, etwa aus den Ausschüssen und Delegationen des Europaparlaments. In dieser Hinsicht hat das Europaparlament eine erhebliche Bedeutung für die Rechtsaußen-Parteien.

Welche Rolle kann eine Veranstaltung wie der "Anti-Islamisierungs"-Kongress von "Pro Köln" im europäischen Kontext haben? Immerhin hat die aktuelle Führungsfigur der österreichischen Rechten H.C. Strache schon abgesagt.
Mehrere europäische Rechtsaußen-Parteien haben mit anti-islamischer Agitation Erfolge erzielt, nicht zuletzt der Vlaams Belang und die FPÖ. Sie wollen das Thema Islam weiterhin auf der Tagesordnung halten, um damit noch mehr Anhänger zu gewinnen. Im Januar haben sie beispielsweise ein Städte-Bündnis gegründet und ihm den Namen "Städte gegen Islamisierung" gegeben. Städte aus mehreren europäischen Staaten sind darin vernetzt. Der Schwerpunkt Islam ist strategisch gewählt, und der Kongress von "Pro Köln" stützt exakt diese Strategie. Er fügt sich also in die langfristigen Kampagnen der führenden Rechtsparteien, des Vlaams Belang und der FPÖ, ein. Hans-Christian Strache hat abgesagt, weil in Österreich in wenigen Tagen das Parlament gewählt wird, und für Strache als FPÖ-Parteichef hat der Wahlkampf im eigenen Land natürlich Vorrang. Als Ersatz für ihn kommen aber einige ziemlich hochrangige FPÖ-Politiker nach Köln.

Warum engagieren sich Vlaams Belang, Lega Nord und FPÖ so für "Pro Köln"? Erhält "Pro Köln" auch neben ideeller auch finanzielle Unterstützung aus dem europäischen rechten Netzwerk?
Die genannten Rechtsaußen-Parteien haben erstens ein allgemeines Interesse an europaweiter Vernetzung und zweitens ein ganz konkretes Interesse daran, eine multinationale, europaweit aktive Rechtspartei zu gründen. Dafür sind organisierte Rechtsaußen-Kräfte in Deutschland nützlich. Deswegen bekommt "Pro Köln" immer wieder Hilfe aus dem Ausland. Übrigens wird "Pro Köln" am stärksten von zwei Parteien unterstützt, die nicht unerheblich durch die frühere europäische Kollaboration mit Deutschland geprägt sind – auch zu NS-Zeiten -: Vom Vlaams Belang und von der FPÖ. Inwieweit "Pro Köln" dabei auch finanziell unterstützt wird, darüber habe ich keine handfesten Belege.

Kann die "Pro"-Bewegung ein ernsthafter Partner für die anderen europäischen rechten Parteien sein, oder spielt die "Pro"-Bewegung nur eine untergeordnete Rolle?
Aus Sicht von Rechtsaußen-Parteien wie Vlaams Belang und FPÖ hat die "Pro"-Bewegung natürlich einen großen Nachteil: Sie ist bislang weitgehend auf ein einziges Bundesland beschränkt, nämlich auf NRW, und auch hier gibt es nur eine Stadt, in der sie tatsächlich eine gewisse Stärke bewiesen hat, nämlich Köln. Das ist natürlich ein bisschen dünn, und deshalb halten die europäischen Rechtsaußen-Parteien keineswegs nur zur "Pro"-Bewegung Kontakt, sondern zum Beispiel auch zu den "Republikanern". Die wiederum haben den eklatanten Nachteil, dass sie schwach und seit Jahren im Niedergang begriffen sind. Im Prinzip käme auch die NPD in Betracht, aber die wäre beispielsweise in Belgien vielen Menschen nicht als Bündnispartnerin vermittelbar, weil sie nun doch zu stark an den Nationalsozialismus erinnert. Filip Dewinter vom Vlaams Belang hat im Sommer gegenüber der taz gesagt, was er sich eigentlich wünscht: Dass die deutsche Rechte sich vereinigt. Das wäre dann ein Zusammenschluss, der von der "Pro"-Bewegung bis zur NPD reichen würde und deutlich stärker wäre als die jetzt bestehenden Organisationen. Aber solange das noch Zukunftsmusik ist, kümmern sich die europäischen Rechtsaußen-Parteien trotz aller regionaler Beschränkungen eben auch um die "Pro"-Bewegung.

Kommunalwahl und Europawahl werden 2009 zusammen stattfinden. Mit welchen Chancen rechnen Sie für die europäischen Rechten bei der Wahl zum europäischen Parlament?
Mit Prognosen ist das immer so eine Sache… Rechtsaußen-Parteien werden bei den Europawahlen dort Erfolge erzielen, wo sie auch sonst recht stark sind. Das trifft auf die nördliche Hälfte Belgiens zu, auf Flandern, wo der Vlaams Belang inzwischen die zweitstärkste Partei ist. Auch die FPÖ hat durchaus gute Chancen; inwieweit sie sich gegenüber der Haider-Abspaltung BZÖ durchsetzen kann, das werden die Parlamentswahlen Ende September erkennen lassen. In Italien, Rumänien und Bulgarien können Ultrarechte auch auf gute Ergebnisse hoffen. In Frankreich ist das unklar – der Front National schwächelt zur Zeit sehr.

Woran liegt es, dass die Rechten gerade auf europäischer Ebene so erstarkt sind?
Ich würde eher sagen: Die Rechtsaußen-Parteien sind in manchen Ländern Europas stark, und das schlägt sich dann auch auf europäischer Ebene nieder. Wenn sich Wählerinnen und Wähler dafür entscheiden, bei den Europawahlen einer extrem rechten Partei ihre Stimme zu geben, dann spielt die speziell europäische Ebene nicht unbedingt eine besondere Rolle. Man kann das am Beispiel Deutschland beobachten: Als vor 20 Jahren die "Republikaner" in der Bundesrepublik auf einer Erfolgswelle schwammen und bei verschiedenen Landtagswahlen hohe Ergebnisse erzielten, da bekamen sie 1989 auch bei den Europawahlen viele Stimmen. Als die "Republikaner" dann insgesamt schwächer wurden, erzielten sie auch schlechtere Wahlergebnisse bei den Europawahlen und verloren ihre Sitze im Europaparlament. Übrigens, Leute wie Manfred Rouhs und Markus Beisicht kennen diese Zusammenhänge genau, sie waren ja Ende der 1980er Jahre bei den "Republikanern" aktiv, die damals übrigens auch schon mit dem Vlaams Belang bzw. – so hieß er zu diesem Zeitpunkt noch – mit dem Vlaams Blok im Europaparlament zusammenarbeiteten.

Was wären mögliche Gegenstrategien?
Ich denke, die Gegenstrategien können genau da ansetzen, wo Rechtsaußen-Parteien ihre Aktivitäten entfalten und wo sie, wenn es für sie günstig läuft, auch ihre Wahlerfolge erzielen: Konkret vor Ort. Brüssel und Strasbourg, die Orte, an denen das Europaparlament tagt, sind weit weg, aber die Parteien sind auf Erfolge in ihren Heimatorten angewiesen. Wenn der Vlaams Belang in Antwerpen scheitert, dann verliert er seine politische Basis. Wenn "Pro Köln" in Köln keinen Stich mehr macht, dann wird es für die Funktionäre auch nichts mit einer Karriere im Europaparlament. Der Kongress an diesem Wochenende spielt sicherlich für die Außendarstellung von "Pro Köln" eine wichtige Rolle. Wird er ein Erfolg, dann kann die Organisation auf Stimmgewinne bei Wahlen hoffen, vielleicht auch mal bei Europawahlen. Wird er kein Erfolg, schaut es schlechter aus. Gegenstrategien können also, auch wenn es um die abstrakte europäische Ebene geht, ganz konkret vor Ort ansetzen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung