Leverkusen | Es soll das Flugzeug der Zukunft werden und seine Ingenieure an die Grenzen des Machbaren bringen: mit einer Spannweite von 63,4 Metern so breit wie ein Airbus A340, dabei aber mit 1.600 Kilogramm nicht schwerer als ein Mittelklasseauto. Der Antrieb: vier Elektromotoren, die allein mit Solarenergie betrieben werden. Und es soll 2015 ohne Pause rund um die Welt fliegen.

Im Cockpit wird Flugpionier Bertrand Piccard sitzen. Der 54-Jährige Schweizer Arzt und Psychiater ist am Mittwoch auf dem Bayer-Gelände in Leverkusen zu Gast, um das Projekt vorzustellen. Der Chemie- und Pharmakonzern ist einer seiner 80 Partner für das Vorhaben und liefert die ultraleichten Materialien für den Bau des bislang größten und leichtesten Solar-Fliegers.

Piccard liebt extreme Herausforderungen und spielt damit in der gleichen Liga wie Felix Baumgartner, der jüngst aus 36 Kilometern Höhe einen Rekordsprung zur Erde wagte und dafür weltweit gefeiert wurde. Mit der ersten Weltumrundung in einem Solar-Flieger hätte Piccard einen – für ihn weiteren – beispiellosen Erfolg vorzuweisen. Bereits 1999 umrundete er, zusammen mit Brian Jones, als erster Mensch die Erde in einem Ballon.

„Botschafter für neue Energien“

Doch Piccard geht es bei dem neuen Projekt weder um einen Adrenalin-Kick noch um die Jagd nach Rekorden, wie er erzählt. Er habe ein höheres Ziel im Sinn: Ein „Botschafter für erneuerbare Energien“ wolle er sein – jemand, der mit einer Pioniertat zeigt, welche Möglichkeiten in der Solarenergie steckt, und damit den Weg aus der Abhängigkeit fossiler Brennstoffe wie Kohle und Gas weist.

Denn Pionier zu sein, ist für ihn vor allem eine „Geisteshaltung“, die von der Mehrheit als unbequem empfunden werde, weil sie Wege abseits des Gewohnten suche. „Die Welt geht sehr schnell in eine falsche Richtung“, sagt Piccard. Klimawandel, Finanzkrise und die enorme Verschuldung der öffentlichen Hand seien der Preis für die Bequemlichkeit unseres modernen Lebens.

„Wir müssen deshalb unsere Flughöhe ändern, um eine neue Richtung zu finden“, umschreibt der erfahrene Pilot das Problem. Der neuartige Solar-Flieger soll so ein Beitrag werden. Denn das Flugzeug soll auch nachts durch die Atmosphäre rauschen. Die am Tag aufgenommene Solarenergie muss gespeichert werden, damit sie als Energiereserve für die dunklen Stunden zur Verfügung steht. „Wenn das klappt, kann niemand mehr sagen, diese Technologie funktioniert nicht“, zeigt sich Piccard überzeugt.

Abenteuerdrang liegt in der Familie

Auf die Idee für das „Solar Impulse“ getaufte Projekt kam Piccard bei seiner Weltumrundung im Ballon vor 13 Jahren. Sein Partner Brian Jones und er hätten damals nur mit viel Glück das Ziel geschafft. „Fast hätte unser Gasvorrat nicht gereicht. Deshalb setze ich für mein neues Vorhaben ganz auf die Solarenergie“, erzählt der Vater dreier Kinder, der in der Nähe von Lausanne lebt.

Seinen Abenteuerdrang bekam er in die Wiege gelegt. Großvater Auguste Piccard (1884-1962) erreichte 1932 mit einem Ballon als erster die Stratosphäre und legte mit dieser Pioniertat den Grundstein für den modernen Flugverkehr in zehn Kilometer Höhe. Vater Jacques Piccard (1922-2008) kam mit dem Tauchboot „Trieste“ 1962 als erster zum mit 10.900 Metern tiefsten Punkt der Weltmeere im pazifischen Marianengraben.

Doch allein haben auch seine Vorfahren ihren Pioniergeist nicht ausgelebt. Sie hatten Partner, die auch für Bertrand Piccard wichtig sind – zum einen, weil sie das Projekt mit ihrem Wissen voranbrächten, zum anderen, weil sie ihn mit Skepsis beflügelten: „Ich suche mir immer Leute, die mir sagen: Was du machst, ist total bescheuert. Denk noch mal nach. So kommen gute Ideen zustande.“

Autor: Frank Bretschneider, dapd | Foto: Roberto Pfeil/dapd
Foto: Der Schweizer Flugpionier Bertrand Piccard präsentierte  in Leverkusen das Modell des Zukunftsflugzeugs „Solar Impulse“.