Berlin | Heute stellte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) eine von ihm beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Auftrag gegebene Untersuchung zur Gründungsdynamik im Bereich IT und Internettechnologien vor. München ist Spitze, die Region Rhein-Ruhr in der Köln mitgezählt wird schafft nur Platz 7. Im Ranking der Bundesländer erreicht Nordrhein-Westfalen nur den 5. Platz. Die Studie ermittelte die jährlichen ITK-Gründungen je 10.000 Einwohner im Zeitraum 2008-2011.

München und Berlin sind die IT-Gründerhauptstädte Deutschlands, gefolgt von der Rhein-Main-Region mit Frankfurt und Hamburg an Platz 4, bezogen auf die Einwohnerzahl. Betrachtet man das Gründungsgeschehen in den 16 Bundesländern, so liegen die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen vorne. An der Spitze der Flächenländer steht Bayern, gefolgt von Hessen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, dann erst kommt Nordrhein-Westfalen. Die fünf ostdeutschen Bundesländer bilden die Schlusslichter. Schlechte Noten für die nordrhein-westfälische Gründerszene und alle die die sich darum kümmern, wie etwa nuk, das neue Unternehmertum Rheinland, aber auch die Politik in NRW und den großen Städten wie Köln, Düsseldorf und Essen.

Keine großen Gründerstories

„Die Untersuchung räumt mit einer ganzen Reihe von Klischees über die Gründerszene auf“, sagt BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf. So werden nur die wenigsten Unternehmen von Uni-Absolventen gegründet, die gerade ihren Abschluss in der Tasche haben. Das Durchschnittsalter von IT-Gründern liegt in Deutschland aktuell bei 38 Jahren, sie verfügen über 17 Jahre Berufserfahrung, davon 11 Jahre in der Branche. Gleichzeitig besitzt nur die Hälfte der Gründer (52 Prozent) überhaupt einen Universitätsabschluss. „Gründungsstorys wie bei Facebook sind in Deutschland eher noch die Ausnahme“, so Kempf. Das zeigt auch ein Blick auf die Beschäftigten in den Start-ups. Nur etwa ein Drittel (36 Prozent) sind Akademiker, aber die Hälfte (50 Prozent) hat eine abgeschlossene Berufsausbildung. Ein Drittel der ITK-Gründungen sind der Studie zufolge Ausgründungen aus bestehenden Unternehmen.
Verglichen mit anderen Branchen investieren junge IT-Unternehmen deutlich häufiger und deutlich mehr in Forschung und Entwicklung (FuE). Bereits im Gründungsjahr liegen die FuE-Investitionen im IT-Bereich 50 Prozent höher als in anderen Branchen.

Schlechte Noten für Banken und Sparkassen

Entsprechend groß ist der Kapitalbedarf. In ein IT-Start-up fließen in den ersten vier Jahren durchschnittlich fast 700.000 Euro. Dabei müssen die Gründer bereits im Gründungsjahr knapp 70.000 Euro aufbringen, in den Folgejahren wächst der Finanzbedarf dann kräftig bis auf gut 277.000 Euro im dritten Jahr nach Gründung. „Banken, Venture Capital und öffentliche Zuschüsse spielen bei der Finanzierung von IT-Start-ups in Deutschland so gut wie keine Rolle“, sagt Kempf. „Neu gegründete Unternehmen finanzieren sich von Beginn an primär über Einnahmen aus der eigenen Geschäftstätigkeit und das Eigenkapital der Gründer.“ Schon im Gründungsjahr kommt fast die Hälfte des eingesetzten Geldes (48 Prozent) aus ersten Geschäftseinnahmen, rund ein Drittel (35 Prozent) steuern die Gründer aus eigenen Mitteln bei. Fremdfinanzierung wie Darlehen von Banken und Sparkassen (6 Prozent) oder öffentliche Kredite und Zuschüsse (3 Prozent) haben dagegen nur eine Randbedeutung. Auch Beteiligungskapital (Venture Capital) kommt gerade einmal auf 5 Prozent.

Finanzierungssituation verbessern

In den ersten drei Geschäftsjahren verstärkt sich dieses Bild der fehlenden Fremdfinanzierung weiter. 88 Prozent des Finanzbedarfs wird nun aus den Erlösen des laufenden Geschäfts gedeckt. Der Anteil von Bankdarlehen und öffentlichen Krediten sinkt auf je 2 Prozent und auch der ohnehin geringe Anteil von Beteiligungskapital fällt weiter, ebenfalls auf 2 Prozent. „Wenn wir Start-ups in Deutschland groß machen und zu weltweit erfolgreichen Unternehmen aufbauen wollen, dann muss sich die Finanzierungssituation dringend verbessern“, so Kempf. „Global Player lassen sich nicht mit dem Sparbuch der Gründer aufbauen.“ Aber auch Banken und private Geldgeber ließen sich Chancen auf gute Gewinne entgehen, wenn sie einen Bogen um IT-Start-ups machen. 60 Prozent der IT-Gründungen sind nach fünf Jahren noch am Markt. Kempf: „Die meisten Gründer schreiben Erfolgsgeschichten.“

Autor: ag