Das Projekt zielt nicht auf eine inhaltliche oder moralische Analyse des Fernsehens, sondern interessiert sich für eine ästhetische, eine "campe" Betrachtungsweise dieses Feldes, wie Susan Sontag sie in ihren Anmerkungen zu Camp (1964) beschrieben hat. Die Ausstellung "Verbotene Liebe: Kunst im Sog von Fernsehen" greift ein Thema wieder auf, das vom Kölnischen Kunstverein in den 1980er Jahren durch die Präsentation von Gerry Schums Videogalerie-Fernsehgalerie (1980) und durch Ausstellungen wie Video-Skulptur (1989) von Wulf Herzogenrath und The Arts for Television (1987) entscheidend mitgeprägt wurde.

Fernsehkonsumenten als Spiegel des Mediums
Die Kölner Ausstellung konzentriert sich auf Künstler, die innerhalb der Gesetzmäßigkeiten von Fernsehen arbeiten. Nach dem Vorbild Andy Warhols wissen sie, die Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie für sich zu nutzen. Sie spielen mit der Starkultur, greifen episodische Fernsehformate wie Soaps, Fernsehshows, Musikclips oder Talkshows auf und verwandeln sie in etwas Neues. Die Schau zeigt Künstler, die nicht erwarten, einen eigenen Sendeplatz im Fernsehen zugewiesen zu bekommen. Stattdessen schleichen sie sich mit ihrem künstlerischen Anliegen parasitär in bestehende Fernsehformate ein, wie beispielsweise Mel Chin (geb. 1951) and the GALA Committee, die manipulierte Requisiten in die Serie Melrose Place einschmuggelten. Selbst mit Fernsehen aufgewachsen, nähern sich gerade die jüngeren Künstler dem Medium aus der Position hoch spezialisierter Zuschauer. Sie folgen ihrer Faszination für das Künstliche, für das Scheitern der Ernsthaftigkeit, für die Stilblüten der Selbstdarstellung, den Glanz der Oberfläche. Als Fernsehkonsumenten spielen sie den Ball zurück und spiegeln das Medium.

Mediales Begehren nach Ruhm
Künstler wie Kalup Linzy (geb. 1977) greifen in ihren Arbeiten auf Fernsehformate wie die Soap oder die Castingshow zurück. Er selbst tritt in diesen Videos, die zum Teil Kindheitserfahrungen und seine Familie reflektieren, mindestens in den stets weiblichen Hauptpersonen, gerne aber auch in sämtlichen Nebenrollen auf. Zwar spielt er klar mit dem Bewusstsein, dass sein Auftreten als Drag in dieser Form im „wirklichen“ Fernsehen nicht möglich wäre, andererseits bestätigt er aber auch Klischees und Phrasen und – ähnlich wie Francesco Vezzoli (geb.1971) – das medial angefeuerte Begehren nach Intensität und Ruhm.

Ryan Trecartin (geb. 1981) greift in seinen Arbeiten frei auf Sprache, Ästhetik, Figuren aus dem Internet oder aus Fernseh- und Computerspielen zurück und vermischt Erzählungen und  Realitätsbezüge so weit, dass sich nahezu abstrakte Bilder ergeben. Um diesen Betrachtungsweisen von Fernsehen einen Ausstellungsrahmen zu geben, hat Simon Denny (geb. 1982) ein Setting entwickelt. Das Paradox, dass das konsumorientierte Medium Fernsehen so aktualitätsgebunden ist, dass es keine Relikte hinterlässt, greift er in seiner Architektur auf und kombiniert die Kunstobjekte von Mel Chin mit Bühnenteilen und Requisiten aus laufenden Bühnenshows, die der TV-Produzent Brainpool zur Verfügung gestellt hat.

Symposium
"Von Warhol bis ‚The Wire’“
Die Ausstellung "Verbotene Liebe: Kunst im Sog von Fernsehen" findet in Kooperation mit dem Kunstverein Medienturm in Graz statt, mit dem der Kölnische Kunstverein gemeinsam einen Katalog publiziert. Die Ausstellung im Kölnischen Kunstverein wurde von Simon Denny, Kathrin Jentjens und Anja Nathan-Dorn konzipiert. Simon Denny ist Atelierstipendiat des Kölnischen Kunstvereins und der RheinEnergie Stiftung Kultur in der Brücke. Im Rahmen der Ausstellung lädt der Kölnische Kunstverein in Kooperation mit der Cologne Conference zu dem Symposium "Von Warhol bis „The Wire“, Über Nähe und Distanz von Kunst und Fernsehen" am 29. September 2010 ein.

Infobox
"Verbotene Liebe: Kunst im Sog von Fernsehen"
25. September bis 19. Dezember 2010
Kölnischer Kunstverein
Die Brücke
Hahnenstr. 6
50667 Köln

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