Köln | Hans Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln, erteilte allen Überlegungen im Vorfeld der Bundestagswahlen, die darauf abzielten, den Mittelstand über höhere Steuern stärker zu belasten, eine Absage. Bei der Tagung der Vollversammlung der Kammer äußerte er die Sorge, dass Steuererhöhungen zu deutlichem Rückgang der Investitionen führen könnten. Die Auswirkungen, die daraus resultieren würden, bezeichnete er als „fatal“.

Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, wies auf eine weitere Belastung für das Handwerk in der Region hin: Die „rund 60 Großbaustellen auf Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen im Ballungsraum Köln-Bonn“. Die produktiven Zeiten, die ein Handwerksunternehmen durch Staus auf den Straßen verliere, machten im Durchschnitt eine Kostenbelastung von rund 10.000 Euro aus. Zu diesem Ergebnis komme eine im Frühjahr durchgeführte Umfrage durch die Handwerkskammer.

Der Forderung der Handwerkskammer nach einer „Task-Force zur Koordination der Baumaßnahmen zwischen Bundes-, Landes- und kommunalen Straßen“ werde inzwischen Rechnung getragen. Mittlerweile sei eine Koordinierungsgruppe unter der Leitung der Kölner Regierungspräsidentin eingerichtet worden. „Dies ist ein positives Signal, was wir nachhaltig begrüßen“, so Weltrich. Zudem „brauchen wir einen Masterplan, um den Verkehrsfluss auf unseren innerstädtischen Straßen zu verbessern“.

Darüber hinaus beklagte er, dass der von der Politik angekündigte Bürokratieabbau nicht voran komme und die Handwerksunternehmen mit zusätzlichen Verwaltungsaufgaben belastet werden. Zu einem Ärgernis wird der zum Jahresbeginn eingeführte neue Rundfunkbeitrag.

Auch das vom Land Nordrhein-Westfalen beschlossene Tariftreue- und Vergabegesetz bringt laut Handwerkskammer zu Köln zusätzliche Bürokratiebelastung. Bei der Bewerbung um öffentliche Aufträge steht das Unternehmen vor der Aufgabe, die Herkunft eingesetzter Materialien nachweisen und Frauenförderpläne vorlegen zu müssen. „Wir wollen aus dieser schwer verständlichen Gesetzessituation noch das Beste für unsere Bauunternehmen herausholen“, daher starte die Handwerkskammer eine Informationskampagne für ihre Mitgliedsbetriebe, so Weltrich. Hinweise zum Umgang mit dem neuen Gesetz wurden bereits auf die Internet-Seiten der Kammer gestellt, in einigen Wochen soll es eine Informationsveranstaltung zu diesem Thema geben.

Neben der Kritik an der nordrhein-westfälischen Landesregierung ging von der Tagung der Handwerkskammer auch ein Signal zur Zusammenarbeit aus: Bei der Verbesserung der Berufsorientierung an den allgemein bildenden Schulen wollen Handwerk, Kommunen und Land miteinander kooperieren. Das vom Ausbildungskonsens NRW beschlossene „Neue Übergangssystem Schule-Beruf“ sieht vor, auch den Gymnasien die Berufsorientierung zur Pflicht zu machen. Dies begrüßte Kammerpräsident Wollseifer nachdrücklich, denn auch Handwerksbranchen wollten verstärkt Abiturienten für Ausbildungsplätze und für künftige Führungsaufgaben im Unternehmen werben.

Die Nachwuchsgewinnung stellt viele Handwerkszweige vor erhebliche Herausforderungen. Zwar gebe es in den Unternehmen „weiterhin eine erfreulich hohe Bereitschaft, durch kontinuierliche Ausbildung dem künftigen Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Doch immer mehr Handwerksbetriebe müssten feststellen, dass sie für die von ihnen angebotenen Ausbildungsplätze keine geeigneten Bewerber finden, betonte Wollseifer. Das sei die hauptsächliche Ursache für den Rückgang der Zahl der Ausbildungsverhältnisse im Kammerbezirk: Von 15.036 Lehrlingen Ende 2010 auf 14.124 am Jahresende 2011 und auf 13.794 am Jahresende 2012. An der demographischen Entwicklung könne das Handwerk nichts ändern. Umso wichtiger sei es aber, „dass wir den Trend, dass sich immer weniger Jugendliche für eine duale Ausbildung interessieren, schnellstmöglich umkehren; das ist eine gemeinsame Aufgabe der Politik und der Wirtschaft“, so Wollseifer.

Autor: dd