Köln | Industrie- und Handelskammer zu Köln, die Handwerkskammer zu Köln und die Agentur für Arbeit Köln präsentierten heute ihre gemeinsame Bilanz zum diesjährigen Kölner Ausbildungsstellenmarkt. Deren einheitlicher Tenor: Die Entwicklung des Lehrstellenmarktes blieb für alle hinter den Erwartungen zurück. Ein Ansturm der Abiturenten aus dem doppelten Abi-Jahrgang auf Lehrstellen blieb aus. Die Zahlen der abgeschlossen Ausbildungsverträge im Kölner Handwerk sind um 3,3 Prozent gestiegen, im gesamten Kammerbezirk der Handwerkskammer zu Köln jedoch rückläufig (minus 4,2 Prozent). Auch die Zahlen der IHK sind im Vergleich zum Vorjahr um 1,4 Prozent gesunken.

„Wir hatten uns deutlich mehr erwartet“, resümiert Gregor Berghausen, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der IHK Köln das Ausbildungsjahr 2013 aus Sicht seiner Kammer. Eine „Abiturientenschwemme“ in Richtung duale Ausbildung habe es nicht gegeben. Dabei sei das Angebot von Ausbildungsplätzen in so gut wie lange nicht. Gute Rahmenbedingungen träfen auf ein großes Spektrum von Ausbildungsberufen. Man habe seitens der IHK ebenfalls festgestellt, dass aus den Reihen der Haupt- und Realschüler sich verstärkt ein Trend zur Weiterbildung hin zu Abitur und anschließendem Studium abzeichne. Er befürchtet beim Anhaltenden des Trends einen Fachkräftemangel.

Mit insgesamt 8.932 neuen Ausbildungsplätzen im gesamten IHK-Bezirk (Köln, Leverkusen, Oberbergischer Kreis, Rhein-Erft-Kreis, Rheinisch-Bergischer Kreis) lag das Ergebnis in diesem Jahr knapp unter dem Vorjahreswert von 9.009 neu vereinbarten Ausbildungsstellen. Der doppelte Abiturjahrgang sei fast vollständig am Kölner Ausbildungsmarkt vorbeigegangen, so Berghausen weiter. Insgesamt wurden im Stadtgebiet Köln 5.118 neue Ausbildungsverhältnisse bei der IHK Köln eingetragen, knapp 1,4 Prozent oder 71 Ausbildungsverhältnisse weniger als vergangenes Jahr – und dies trotz diesmal rund 3.000 Schulabgängerinnen und Schulabgängern zusätzlich.

„Hier bleibt nur die Hoffnung, dass viele Jugendliche, die jetzt in ein Studium eingestiegen sind, vielleicht etwas verspätet den Weg in die Ausbildung finden, wenn sich herausstellt, dass das Studium doch nicht optimal passt.“ Man müsse nun von Seiten der Kammer verstärkt aufzeigen, dass eine duale Ausbildung Perspektive habe. Es könne nicht das Ziel sein, bei der Besetzung von Stellen für die betriebliche Ausbildung, die Leute erst dann „abzugreifen“, wenn sie mit einem Hochschulstudium gescheitert seien.  Wenn sich in den umliegenden Regionen durch die demografische Entwicklung die Ausbildungssituation verbessere, werde auch die Bereitschaft, in die Stadt Köln einzupendeln, deutlich abnehmen – bei einem Einpendleranteil von rund 50 Prozent der Azubis ein weiteres großes Risiko für Köln.

Handwerkskammer verzeichnet ebenfalls Rückgang der Ausbildungszahlen – Ausnahme Kölner Stadtgebiet

Auch Dr. Markus Eickhoff, Leiter der Hauptabteilung Bildungspolitik der Kölner Handwerkskammer sieht Handlungsbedarf bei der Rekrutierung zukünftiger Azubis. Zwar hätten im Kölner Stadtgebiet in diesem Ausbildungsjahr mit 2.353 Azubis 3,3 Prozent mehr junge Leute eine betriebliche Ausbildung begonnen, im gesamten Kammerbezirk der Kölner Handwerkskammer sei die Zahl der Neuabschlüsse jedoch um 4,3 Prozent  auf 5.503 Berufsausbildungsverträge gesunken. Der Rückgang bei den Lehrstellenbewerbungen trifft derzeit das Handwerk im Umland stärker als das Handwerk in Köln. „Der Ausbildungsstandort Köln ist für junge Menschen sehr attraktiv, das verschafft den Unternehmen in Köln einen Vorsprung bei der Nachwuchswerbung“, erklärt Eickhoff.

Dennoch werde sich nach seiner Einschätzung auch Köln auf Dauer nicht dem allgemeinen Trend entziehen können, dass vermehrt Ausbildungsplätze unbesetzt blieben, weil es nicht genügend geeignete Bewerber um Lehrstellen gebe. Mehrere Faktoren, die es den Unternehmen erschwerten, ausreichend Nachwuchs zu finden, kämen hier zusammen: Entsprechend der demographischen Entwicklung geht im Großteil der Region Köln-Bonn die Zahl der Schulabgänger zurück, trotz aller Bemühungen um die Verbesserung der Berufsorientierung ist der Anteil der Jugendlichen, die am Ende ihrer Schulzeit noch nicht ausbildungsreif seien, weiterhin zu hoch, und der Ansturm auf die akademische Bildung halte an.

Um Abiturienten auf die Chancen einer dualen Berufsausbildung hinzuweisen, hat sich die Handwerkskammer zu Köln an einer Reihe von Veranstaltungen anlässlich des doppelten Abiturjahrgangs beteiligt. Das Interesse von Abiturienten an den Ausbildungsberufen des Handwerks ist seit 2010 kontinuierlich gestiegen. Der Anteil der Abiturienten an den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Handwerk der Region Köln-Bonn machte im Jahr 2010 erst 6,2 Prozent aus, 2011 und 2012 waren es bereits 8,5 bzw. 12 Prozent. Und bei der aktuellen Statistik, die den Zeitraum vom Januar bis August 2013 abdeckt, erreicht der Abiturientenanteil unter den neu eingetragenen Ausbildungsverhältnissen einen neuen Höchststand von 15,7 Prozent. Dieser Anstieg sei mitunter auch durch die Anforderungen an Azubis im Bereich der erneuerbaren Energien zu erklären.

Arbeitsagentur: „Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wieder größer geworden.“

Aus der heute vorgestellten Bilanz geht hervor, dass die Zahl der Jugendlichen, die 2013 mit Hilfe der Agentur für Arbeit Köln ihre Ausbildungsstelle suchten, um 138 oder 2,3 Prozent auf 5.990 sank. Gleichzeitig ist auch die Zahl der Stellen zurückgegangen: 6.457 Ausbildungsstellen wurden der Arbeitsagentur gemeldet, 103 oder 1,6 Prozent weniger als im Vorjahr. 223 unversorgten Bewerbern stehen 359 noch unbesetzte Stellen gegenüber.

„Die Kölner Unternehmen engagieren sich für Ausbildung. Mit den gemeldeten Stelle bewegen wir uns seit Jahren auf hohem Niveau. Allerdings wird der Bedarf an Fachkräften mit dualer Berufsausbildung in den kommenden Jahren steigen. Viele Ältere werden in den Ruhestand gehen, weniger Schulentlassene werden nachrücken“, blickt Roswitha Stock, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Köln mit Sorge in die Zukunft.

Bei den Bewerbern habe man in diesem Jahr den doppelten Abiturjahrgang nicht so stark gemerkt, wie anfangs gedacht. Die Zahl der Ausbildungsbewerber liege insgesamt knapp unter dem Niveau des letzten Jahres. Durch die größere Zahl an Abiturienten, die sich für eine duale Berufsausbildung interessierten, konnten die Unternehmen in diesem Jahr eine Bestenauslese betreiben.

Ein Teil der Abiturienten wird erst im nächsten Jahr dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehen. Unternehmen müssen bei der Auswahl ihrer Azubis Kompromisse eingehen, und auch Jugendlichen mit ungeraden Lebensläufen eine Chance auf Ausbildung geben“, rät Stock und verweist auf die Initiative „Spätstarter“ der Bundesagentur für Arbeit. Im Rahmen des Projektes wurden junge Erwachsene zwischen 25 und 35 Jahren ohne Berufsabschluss angesprochen, um sie für eine Ausbildung zu begeistern. Von den ursprünglich über 700 infrage kommenden Kölnerinnen und Kölnern, konnten bislang erst fünf Personen eine Ausbildung in einem Betrieb beginnen. Weitere 21 befinden sich in betrieblicher Einzelumschulung und 173 in einer überbetrieblichen Umschulung bei einem Träger.

Stock appelliert an die Wirtschaft: „Mit der Initiative erschließen wir ein zusätzliches Potential an Fachkräften. Wir dürfen diese motivierten, jungen Erwachsenen nicht alleine lassen. Wir benötigen mehr engagierte Ausbildungsbetriebe, die Spätstartern eine Chance geben und am Ende von den selbst ausgebildeten Fachkräften profitieren. Denn wer jetzt nicht ausbildet, verpasst die Chance auf gute Fachkräfte.“

Rechnerisch passt die Zahl der insgesamt gemeldeten Ausbildungsstellen zu der Zahl der gemeldeten Bewerber: Je Bewerber standen im aktuellen Beratungsjahr 1,1 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Dennoch standen Ende September 233 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz (plus 101 gegenüber dem letzten Jahr) noch 359 unbesetzten Ausbildungsstellen (minus 93 gegenüber dem Vorjahr) gegenüber. „Das rechnerische Stellenplus sagt jedoch nichts aus. Bewerber und Betriebe müssen zueinander passen und aufeinander zugehen. Wir stellen fest, dass sich die Jugendlichen für die immer gleichen Berufe interessieren. Über 40 Prozent der Bewerber konzentrierensich auf die zehn beliebtesten Ausbildungsberufe. Hier ist von unserer Seite eine gute Beratung wichtig, denn weniger bekannte Alternativen gibt es zu jedem Beruf. Allerdings müssen auch die Ausbildungsbewerber mehr Flexibilität zeigen, sowohl was den Wunschberuf angeht, als auch die räumliche Mobilität“, so Stock.

Autor: dd
Foto: Weniger Ausbildungsverträge trotz doppeltem Abiturjahrgang (Symbolfoto).