Das Pressefoto des Umwelt- und Verkehrsministierums NRW zeigt Minister Oliver Krischer, Grüne. | Foto: Land NRW/Michael Gottschalk

Berlin | dts | Die Unklarheit bei den Plänen der Ampel-Koalition zur Reduzierung der Regionalisierungsmittel für den Schienen-Nahverkehr stoßen beim Vorsitzenden der Länderverkehrsministerkonferenz, Oliver Krischer (Grüne), auf Kritik. „Mich irritiert, dass bei den gesetzlich verankerten Regionalisierungsmitteln eine Änderung geplant ist, ohne dass die davon direkt betroffenen Länder bisher über die Details in Kenntnis gesetzt worden sind“, sagte Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Krischer der „Welt“ (Freitagausgabe). „Ich weiß bisher nur, dass die Bundesregierung bei der Veranschlagung der Regionalisierungsmittel 350 Millionen Euro einsparen möchte. Mir liegen keinerlei Informationen vor, wie das vonstatten gehen soll.“ In der vergangenen Woche hatten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) darauf geeinigt, dass für Einsparungen im Bundeshaushalt für das kommende Jahr 350 Millionen Euro bei den Regionalisierungsmitteln gekürzt werden sollen, die gesetzlich verankert sind. Einer Änderung müsste der Bundesrat zustimmen.

Allerdings ist unklar, ob eine solche Änderung des für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zentralen Gesetzes von der Bundesregierung geplant ist. Auf eine entsprechende Anfrage der „Welt“ antwortete das Bundesverkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP), dass die Frage dem Bundesfinanzministerium zu stellen sei. Die anschließend dorthin gerichtete der Anfrage der „Welt“ beantwortete das Haus von Christian Lindner (FDP) dann gar nicht.

Regionalisierungsgesetz

Für den Fall, dass die Bundesregierung tatsächlich eine Änderung des Regionalisierungsgesetzes plant, meldete Krischer schwere Bedenken an. „Ich stelle fest, dass eine solche Einsparung den bisherigen Verabredungen zur Stärkung des öffentlichen Verkehrs widerspricht und die Pläne infrage stellt“, sagte Krischer. „Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als die Einsparungspläne der Bundesregierung im Verkehrssektor nur den ÖPNV betreffen sollen, während etwa beim Autobahnneubau oder der Dienstwagenbesteuerung offenbar keine Kürzungen vorgesehen sind“, sagte der Vorsitzende der Länderverkehrsministerkonferenz.

„Das entspricht nicht dem, was sich die Koalition im Bund hinsichtlich Verkehrswende und Klimaschutz vorgenommen hat.“ Allerdings wird in der ÖPNV-Branche und in den Bundesländern auch vermutet, dass sich der Betrag von 350 Millionen Euro auf das Deutschlandticket beziehen könnte. Denn auf 350 Millionen Euro beläuft sich der Bundesanteil an den Verlustausgleichsmitteln, die nach einer Schätzung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) im Jahr 2023 für die Finanzierung des Deutschlandtickets nicht benötigt worden sind.

Verlustausgleich Deutschlandticket

Da aber laut VDV im Jahr 2024 ein wesentlich höherer Verlustausgleich beim Deutschlandticket erforderlich sein wird, hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im November mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer darauf geeinigt, die 2023 nicht benötigten Verlustausgleichsmittel ins Jahr 2024 zu übertragen. Sollte der Bund nicht mehr bereit sein, seinen 350-Milionen-Anteil daran ins kommende Jahr zu übertragen, wäre dafür keine Gesetzesänderung erforderlich. Krischer lehnte dies ab.

„Sollte die Verständigung in der Ministerpräsidentenkonferenz über die Finanzierung des Deutschlandtickets erneut infrage gestellt werden, hielte ich das für fatal und verkehrspolitisch absolut kontraproduktiv.“ Der Grünen-Politiker fordert nun von der Bundesregierung schnelle Aufklärung über das geplante Vorgehen. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung die offenen Fragen zu diesem Thema rasch klärt und die Länder sehr schnell informiert. Wir müssen wohl auf einer kurzfristigen Sonderverkehrsministerkonferenz klären, wie die Länder damit umgehen.“

Baden-Württemberg warnt vor Preiserhöhung bei 49-Euro-Ticket

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) fürchtet ein Scheitern des 49-Euro-Tickets. „Ich bin schlicht in großer Sorge, dass da was schiefläuft, wir haben viel zu wenig Mittel und nehmen uns viel vor, die Länder haben sich aus gutem Grund nur auf das Experiment Deutschlandticket eingelassen, weil der Bund die Hälfte der Kosten übernimmt“, sagte er dem „Spiegel“. Dem Bund warf er vor, „mitten in der Partie die Spielregeln zu ändern“.

Dies sei, so Hermann, „kein guter Stil und reißt eine Finanzierungslücke“. Hintergrund von Hermanns Attacke ist eine vom Bundesfinanzministerium angekündigte Kürzung der Bundesgelder für den regionalen Personennahverkehr um 350 Millionen Euro. Verkehrs- und Finanzressort der Bundesregierung betonen zwar auf Nachfrage des „Spiegel“, dass diese Gelder nichts mit dem Deutschlandticket zu tun hätten.

Winfried Hermann sieht in dieser Maßnahme dennoch eine große Gefahr. „Die 350 Millionen sind wahrscheinlich genau die Summe, die von den Bundesmitteln im Jahr 2023 übrig bleibt und ins nächste Jahr übertragen werden soll. Jetzt will das Finanzministerium diese vermutlich wegkürzen. Das wäre dreist und zugleich eine große Gefahr für das Deutschlandticket“. Von der Bundesregierung, der auch seine eigene Partei angehört, fordert der Grüne, „endlich besser zu kommunizieren, was sie beschließt“. Außerdem würden die Landesverkehrsminister „behandelt wie Bittsteller“.

Dabei hätten die Länder „qua Grundgesetz einen Anspruch auf diese Mittel aus dem allgemeinen Steueraufkommen“. Des Weiteren mahnte der Grünenpolitiker mehr Verlässlichkeit an, vor dem Hintergrund lang laufender Verkehrsverträge in den Ländern. „Da kann man nicht plötzlich um die Ecke kommen und Leistungen abbestellen. Das müssen wir dem Bund vermutlich noch mal ins Gedächtnis rufen“, so Hermann. Darüber hinaus kritisierte er die Kurzlebigkeit verkehrspolitischer Entscheide im Bund sowie das abrupte Ende der E-Auto-Förderung. Hermann fordert: „Alle, die einen Kaufvertrag abgeschlossen haben, müssen diese Prämie noch bekommen.“