Foto: Christian Graf Hoensbroech


Domchöre in Bethlehem
Bläck Föss – Lied erstaufgeführt

Gastbeitrag von Christian Graf Hoensbroech

“Es führt drei König…”. Weiter kamen die Domchöre nicht. Dann kam die Hand des griechisch-orthdodoxen Priesters dazwischen, und nicht etwa, wie es im Lied weiter heisst, “Gottes Hand”. Lautstark und wild gestikulierend hatte sich der in schwarz gkleidete bärtige Mann durch die Gruppe der Sänger nach vorne gedrängt sowie den geistlichen Leiter der Chöre, Domvikar Oliver Dregger, massiv bedrängt und dabei nach Mohammed gerufen, einem Kollegen, der eilfertig hinzukam. “Ich war schon sprungbereit”, schildert Bernhard (20) die Situation, während Alexander (20) feststellte: “Das ist eigentlich nicht das, was ich mir unter Weihnachten und Bethlehem vorstelle.”
Bei vielen der überwiegend jungen Sänger warf die geschilderte Situation Unverständnis und Verwirrung aus. Ausgerechnte in der Geburtskirche Jesu Christi kam es fast zu einer Eskalation. Oliver Dregger reagierte sofort und setzte sich mit den Chören in die benachbarte Katharinenkirche. In ruhigen Worten schilderte er ihnen das geschichtliche Auseinanderwachsen von Katholiken und Griechisch-Orthodoxen, die “sich vom Glauben her eigentlich sehr nahe sind”. Aber die Orthodoxen, denen der überwiegende Teil der Geburtskirche untersteht, reagieren “sehr sensibel, wenn Katholiken auf orthodoxem Boden offenbar einen Schritt zu weit gehen”. So hatten die Kölner Chöre wohl eine liturgische Handlung gestört, die zu dem hitzigen Wortgefecht führte. Spater, als die Sänger doch noch in der Geburstgrotte singen und beten konnten, formulierte Dregger denn auch die treffende Bitte um die Einheit der Christen im Heiligen Land.

Doch nicht nur die Widersprüchlichkeit im religiösen Mit- und Gegeneinander erfuhren die Domchöre bei ihrem eintägigen Besuch in Bethlehem. Auch die Lebenswirklichkeit der Stadt, in der sich vor 2000 Jahren das Weihnachtsgeschehen vollzog und der daheim mitunter so verkitscht besungenen Weihnachtsromantik wurde in den Gesprächen der Sänger immer wieder besprochen. Das marode äussere Erscheinungsbild owie der später einsetzende heftige Regen, der das Wasser in kleinen Bächen durch die Gassen der Stadt laufen liess, trugen das ihre dazu bei, um ein wenig von der Bedrückung und Depression empfinden zu lassen, die die Einwohner in der Kölner Partnerstadt alltäglich erleben und leben müssen.

Es war den Domchören vergönnt, bei ihrem Besuch “ein einzigartiges Zeichen der Solidarität und Hoffnung zu setzen”, sagte Bürgermeister Hanna J. Nasser nach dem Abschlusskonzert abends im Internationalen Begegnungszentrum der Christlich-Lutheranischen Kirche. Gemeinsam hatten die Kölner Chöre zuvor mit dem dortigen Chor das Lied “Kleine Stadt Bethlehem” aufgeführt, und Nasser sagte mit Blick auf die von Israel errichtete Mauer am Stadtrand: “Nun ist Bethlehem wirklich eine kleine Stadt geworden.”

Doch mit der weltweiten Sprache der Musik wurden alle Mauern übersprungen. Nach der Gestaltung der Messe in der Katharinenkirche hatten die Chöre in einem mehrstündigen Workshop zusammen mit den Schülern des Konservatoriums für Musik im Begegnungszwentrum gearbeitet. “Quem pas-to-res lau-da-ve-re”, zerlegte Domkapellmeister Eberhard Metternich die Eingangszeile eines Liedes, um die unterschiedlichen Stimmen der Chore zum gemeinsamen Klang zu führen. Dass dann ausgerechnet ein junger Sänger des Domchores an der falschen Stelle dazwischen sang, brachte zusätzliche Entspannung in die ohnehin schon freundschaftliche Arbeitsatmosphäre. Anschliessend löste Domkantor Oliver Sperling den Eingangsakkord eines “Salve Regina” für Mädchenchor in seine fünf Einzeltöne. Da mischten sich zunächst einige deutlich hörbare Dissonanzen hinein, doch schliesslich gelang es den Kölner Mädchen mit ihren Kolleginnen aus Bethlehem einen strahlend reinen Akkord erklingen zu lassen. “Das war alles so wahnsinnig aufregend, und ich habe so viel neues über das Singen gelernt”, zeigte sich nach er Arbeit die 16-jaehrige Ameera begeistert. Der zwoelfjaehrige Leith war „einfach nur gluecklich“ und fuegte sehr nachdenklich, fast philosophisch hinzu: “Wir sind vielleicht sehr arm, aber unsere Herzen sind so reich.” Besonders stolz war er, dass er zusammen mit anderen Musikern den Kölnern arabischen Jazz vorspielen konnte. Und die jungen Gäste aus der Domstadt waren insbesondere von Leiths Spiel auf dem Kanoo begeistert, einem 78 Saiten umfassenden arabischen Instrument, ähnlich einer übergrossen Zither. Leith hatte sich dazu fast aufreizend den Schirm seiner Baseballmütze über das linke Ohr gezogen, den Kaugummi schob er lässig zischen der rechten und linken Backe hin und her. “Das war einfach nur genial, wie die ihre Instrumente vorgestellt haben”, befand Ulrike (16). Helena (20) war vor allem vom “Reichtum und der Vielfalt arabischer Musiktradition” angetan. In der Tat: Es war für alle Menschen eine tiefe, eine reiche Begegnung, die da in der kleinen Stadt Bethlehem stattfand. Zumal die Domchöre das Abschlusskonzert mit einer Bethlehemer Erstaufführung einleiteten. “Bethlehem”, das Lied der Bläck Föss, dass in Köln mittlerweile weithin bekannt ist, wurde erstmals in der Geburstadt Jesu selbst gesungen, weil dei Kölner Mundartgruppe sowie der Jugendchor St. Stephan ihren geplanten Auftritt vor zwei Jahren aus politischen Gründen kurzfristig absagen mussten. “Dass das alle so gelungen ist, darauf haben wir lange gewartet”, fasste Reverend Mitri Raheb, einer der Väter der Städtepartnerschaft von Köln und Bethlehem, zusammen und ergänzte: “Das gibt uns viel Kraft und Hoffnung und Glauben an eine gute Zukunft.”