Foto: Constantin Graf Hoensbroech


Halleluja und FC


Gastbeitrag von Constantin Graf Hoensbroech


Von diesen Gaben verteilten die Chöre auch bei ihren weiteren Auftritten reichlich. Das Konzert in der Brotvermehrungskirche am See Gennesaret wurde zu einem eindrucksvollen Zeichen der Begegnung im doppelten Sinn. Zum einen, weil die Sänger an einem Ort sangen, an dem sie einer der wohl bekanntesten Bibelstellen so stimmungsvoll, so authentisch bgegneten. Zum anderen, weil ihre Musik gerade an diesem Ort, wo die dortige Mönchsgemeinschaft der Benediktiner versucht, vom Krieg und von Gewalt traumatisierte israelische und palästinensische Jugendliche sich begegnen zu lassen, mit ihren Lieder die Herzen der rund 160 Zuhörer besonders bewegten.


Tags darauf ging es dann für die Kölner Domchöre endlich gen Jerusalem. Dabei erfuhren sie erstmals etwas von der Gegensätzlichkeit und Zerrissenheit, die das Land bestimmt. Schliesslich führte der Weg viele Kilometer durch die so genannte Westbank. Für Abwechslung in diesem zwischen Israelis und Palästinensern beanspruchten Gebiet sorgte neben einer Dromedar-Karawane ein Abstecher ans Tote Meer. Dass die Kölner Chöre dort badeten und sich davon überzeugten, dass es wirklich möglich ist, in diesem hochkonzentrierten Salzwasser zu liegen und gleichzeitig Zeitung zu lesen, war fast bis auf die gegenüberliegende jordanische Seite des Meeres zu hören.


Am Silvesterabend wurde Jerusalem erreicht, und der Mädchenchor fand in Köln  seine Unterkunft. Denn Helmut Daniels, der geistliche Leiter des in Köln ansässigen Vereins vom Heiligen Lande, begrüsste den Mädchenchor im Paulus-Haus am Rand der Altstadt mit den Worten: “Es ist ein Haus, dass dem Verein gehört und von Köln aus errichtet wurde.” Allerdings fehlte Julio (13) noch der FC-Wimpel und der Blick auf den Dom, um sich dort vollständig zu Hause zu fühlen. Mit den anderen Jungen und Herren des Domchores war er am späten Abend von ihrer Unterkunft gekommen, um von der Dachterasse des Paulus-Hauses mit Blick auf den weltberühmten Felsendom und das ebenso bekannte Damaskus-Tor in das neue Jahr zu feiern.


Allzu lang wurde es aber nicht. Denn am Neujahrstag galt es, weitere beeindruckende musikalische Glanzlichter als Boten der Domstadt zu entzünden. Das fing an mit der Gestaltung des Gottesdienstes in der deutschen Benediktinerabtei Hagia Maria Sion und einer anschliessenden Matinee an. Abt Benedikt Lindeman dankte den Chören, dass sie in den Tagen der Weihnachtszeit in diesem so friedlosen Land “musikalische Akte des Guten” setzen und fügte hinzu: “Euer Gesang bewegt die Herzen der Menschen und gibt ihnen etwas von dem, was dieses Land so nötig hat. Die innere Bewegung zeigte sich insbesondere unter den israelischen Zuhörern. Als die Chöre in hebräisch das Volkslied “Jerusalem leuchtet wie Gold” sangen, konnten viele israelische Zuhörer ihre Tränen nicht zurückhalten. “Sie haben eine so heilige Stimmung verbreitet”, meinte Amitai Tutter. Und Odette Amir fügte hinzu: “So, wie sie gesungen haben, führt es uns alle wirklich in Streben nach dem uns gemeinsamen Gut Frieden zusammen.”
 


Noch am Neujahrsabend folgte sogleich der nächste herausragende Höhepunkt: das gemeinsame Konzert mit dem Israel Chamber Orchestra im Musikcenter von Kölns Partnerstadt Tel Aviv. Über 400 Zuhörer waren in die fast vollständig besetzte Halle gekommen. Der stellvertretende deutsche Botschafter in Israel, Cyrill Jean Nunn, würdigte das Konzert “den perfekten Auftakt zu zahlreichen weiteren Veranstaltungen in diesem Jahr im Zusammenhang anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel”. Tel Avivs Oberbürgermeister Huldai erinnerte an die seit 25 Jahren bestehende Städtepartnerschaft zwischen seiner Stadt und Köln sowie an den 40. Geburtstag des Orchesters. “Mein Kollege Fritz Schramma hat uns zu diesem Abend ein wunderbares Geschenk geschickt.” Dass denn auch der Domstadt gerecht wurde. Vor allem durch die Interpretation der grossen Chorpartien aus dem Messias von Georg Friedrich Haendel – mit dem berühmten Halleluja – entstand im Zusammenspiel mit dem Orchester ein ebenso denkwürdiges wie fulminantes komplexes wie homogenes Klangbild und -erlebnis.


Auf der Busfahrt zurück nach Jerusalem zogen es die meisten Sänger dann aber doch vor, FC-Fangesänge zu intonieren. Inspiriert wurden sie vom Lokalderby, dass während des eigenen Konzerts im unmittelbar benachbarten Stadion ausgetragen wurde. Halleluja!