Köln | Die Industrie- und Handelskammer zu Köln (IHK), die Handwerkskammer zu Köln (HWK) und die Agentur für Arbeit Köln ziehen am heutigen Mittwoch, 2. November, gemeinsam eine Halbjahresbilanz zum Kölner Ausbildungsstellenmarkt 2015/2016. Erkennbar sei der Anstieg der Akademisierung und der demografische Wandel vor allem bei der IHK. Die HWK verzeichnet in diesem Jahr zwar einen Anstieg bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen, denoch ist die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen auch hier gestiegen. Ähnlich sieht die Jahresbilanz bei der Agentur für Arbeit aus.

>>> Videobeitrag: Jahresbilanz Kölner Ausbildungsmarkt – Dr. Uta Becher, Dr. Markus Eickhoff und Christopher Meier im Interview mit report-K

Agentur für Arbeit

Bei der Agentur für Arbeit sind die eingeholten Ausbildungsstellen leicht gestiegen. 5.503 gemeldete Bewerber bedeutet ein Minus von 278 Personen oder 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2015, erklärt Dr. Uta Becher, operative Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit. Die Anzahl der Ausbildungsstellen sind in diesem Jahr um 47 oder 0,7 Prozent gestiegen. Somit verzeichnete die Agentur 6.674 vergebene Ausbildungsstellen.

Am Ende des Ausbildungsjahres waren 273 Bewerber noch auf Suche nach einem Ausbildungsplatz. Das entspricht 10 Bewerber oder 3,5 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Hinzu kommen weitere 678 Bewerber, die einen Ausbildungsplatz suchen, aber auch schon eine Alternative wie zum Beispiel Schulbesuch, Studium, Freiwilligendienst, etc. haben.

In diesem Jahr blieben 454 Ausbildungsstellen unbesetzt. Das sind 132 oder 41 Prozent mehr als im Vorjahr.

„Wie im Vorjahr gibt es weiterhin drei Tendenzen. Die Agentur für Arbeit verzeichnet weniger Ausbildungsbewerber, mehr Ausbildungsstellen und weiterhin mehr unbesetzte Ausbildungsstellen. Die ist nicht nur in Köln der Fall, sondern im ganzen Land wahrnehmbar“, bilanziert Dr. Uta Becher, Geschäftsführerin operativ der Agentur für Arbeit den aktuellen Ausbildungsmarkt Köln.

Unter den Ausbildungsbewerbern befinden sich 96 geflüchtete Menschen. Das entspricht einen Anteil von 1,7 Prozent an allen Bewerbern.

Industrie- und Handelskammer zu Köln

Bemerkbar mache sich die steigende Akademisierung und der demografische Wandel vor allem in der gesamten Region der IHK. „Eine klassische Berufsausbildung steht heute nicht mehr oben auf dem Wunschzettel der jungen Leute. Vielmehr gibt es einen unübersehbaren gesellschaftlichen Trend zum Hochschulstudium. Ein Hochschulstudium ist aber nicht für jeden jungen Menschen die richtige Wahl. Die sehr hohe Abbruchquote an den Hochschulen belegt dies“, erklärt Christopher Meier, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der IHK Köln.

Volker Schütte, Geschäftsführer der technowart, sieht vor allem den Überfluß an Informationen und die vielen Möglichkeiten als Ursache für die sinkenden Zahlen bei den Ausbildungsbewerbern. Technowart, eine Gesellschaft zum wirtschaftlichen Betrieben und zur Wertehaltung gebäudetechnischer Anlagen mit Gründerjahr 1966, bildet seit über 20 Jahren junge Menschen aus.

Ende September hatte die IHK mehr als drei Prozent weniger Ausbildungsverträge in Köln, Leverkusen, dem Oberbergischen Kreis, dem Rheinischen-Bergischen Kreis und dem Rhein-Erft Kreis registriert. Damit folge die Kölner Region dem landesweiten Trend, erklärt Meier. Eine große Abnahme sei vor allem bei kaufmännischen Berufen im Stadtgebiet Köln zu verzeichnen gewesen. „Wir werden den jungen Leuten, aber auch Eltern und Lehrern noch stärker vermitteln müssen, dass eine klassische Berufsausbildung oder ein duales Studium mit einem Berufs- und Hochschulabschluss auch heute eine sehr gute und attraktive Wahl sind, um ins Berufsleben einzusteigen und eine erfolgreiche Karriere zu starten“, sagt Meier.

Noch weiter in den Fokus der Zielgruppe sollen vor allem die Studienaussteiger genommen werden. Aber auch junge Mütter, geflüchtete Menschen und auch Menschen mit Behinderung. Für alle bietet eine Berufsausbildung Chancen zur Integration ins Berufsleben und fungiere als Grundbaustein für eine erfolgreiche Karriere, erklärt Meier.

Handwerkskammer zu Köln

Die Handwerksunternehmen in der Region Köln-Bonn haben in diesem Jahr 4.809 Ausbildungsverhältnisse neu abgeschlossen. Somit ist ein Anstieg von 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet worden. Die Zahl der neuen Ausbildungsverträge im Handwerk nahm um 4,6 Prozent, also 1.513 Verträge, zu. „Seit mehreren Jahren ist die Zahl der Auszubildenden im Handwerk zurückgegangen. Die in diesem Jahr erreichte Steigerung ist daher eine Trendwende“, so Dr. Markus Eickhoff, stellvertretender Geschäftsführer der HWK. Nach Eickhoffs Einschätzung zahle es sich inzwischen aus, dass seit einiger Zeit die Handwerkunternehmen mit Unterstützung der Handwerksorganisationen intensiv um Berufsnachwuchs werben. Dennoch ist die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze auch bei der HWK gestiegen. Von rund 400 im vergangen Jahr, sind die unbesetzten Ausbildungsstellen in diesem Jahr auf 600 gestiegen, so Eickhoff.

Seit einigen Wochen gehen aus diesem Grund Lehrlinge aus dem zweiten und dritten Ausbildungsjahr, die von der HWK zu „Ausbildungsbotschaftern“ geschult wurden, die die allgemein bildenden Schulen, um im Gespräch mit Jugendlichen die Vorteile eine Berufsausbildung zu verdeutlichen.

Pilotprojekt: doppelqualifizierender Bildungsgang

Zudem wird im nächsten Jahr ein doppelqualifizierender Bildungsgang, der duale Ausbildung und Abitur miteinander verknüpft, starten. Das nordrhein-westfälische Schulministerium hat einem solchen Modellversuch bereits zugestimmt. Das sogenannte „Berufsabitur“ richtet sich an leistungsstarke Schüler, die innerhalb von vier Jahren sowohl die Gesellenprüfung als auch eine vollwertige Abiturprüfung schaffen wollen. Das Pilotprojekt ist in enger Zusammenarbeit zwischen dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und der HWK enstanden.

Autor: Irem Barlin
Foto: Stefan Kornenberg, Azubi und Ausbildungsbotschafter Kältetechnik der technowart GmbH